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Der Wald soll über einen längeren Zeitraum bewusst achtsam wahrgenommen werden – ohne Ziel oder Erbringung einer Leistung (Foto: Tero Vesalainen/iStockphoto.com)
Der Wald soll über einen längeren Zeitraum bewusst achtsam wahrgenommen werden – ohne Ziel oder Erbringung einer Leistung (Foto: Tero Vesalainen/iStockphoto.com)

Im Wald baden

Haben Sie schon einmal im Wald „gebadet“? Sehr wahrscheinlich. Es war Ihnen vermutlich nur nicht bewusst, dass Sie das tun. „Shinrin Yoku“, zu deutsch Waldbaden, nennt sich der Trend, der sich seit den 1980er-Jahren in Japan zu einer probaten Gesundheitsmethode entwickelt hat und der sich die positiven Wirkungen des Waldes auf das psychische und physische Wohlbefinden des Menschen zunutze macht. Und diese sind vielfältig. Ein Spaziergang durch den Wald regt alle Sinne an. Das häufig eher feuchte Klima setzt ganz spezielle Pflanzenduftstoffe frei, die natürliche Ruhe im Wald, das Rauschen der Blätter oder andere Naturgeräusche erzeugen ein für das Gehör angenehmes Mikroklima, unzählige verschiedene Grün- und Brauntöne, Licht und Schatten sorgen für optische Vielfalt. Waldbaden ist mehr als ein Spaziergang oder eine lange Wanderung. Der Wald soll über einen längeren Zeitraum bewusst achtsam wahrgenommen werden – ohne Ziel oder Erbringung einer Leistung.

Natur stärkt das Immunsystem

In unseren Breiten sind es überwiegend ältere Menschen, die noch häufiger in den Wald gehen. „Sie haben schon während ausgedehnten sonntäglichen Waldspaziergängen von den Großeltern und Eltern erfahren, wie schön ein Aufenthalt im Wald ist und wie gut er tut“, erklären die Autorinnen des Buches „Waldtherapie“ Angela Schuh und Gisela Immich unisono. Für die Jüngeren und vor allem für junge Städter ist der Waldbesuch und Natur per se eher unattraktiv, da dort kaum neue soziale Kontakte geknüpft werden können. Schuh und Immich: „In unserer heutigen Gesellschaft hat eine fundamentale Werteverschiebung hin zu sitzenden (indoor) Aktivitäten stattgefunden, die mit einer verringerten bzw. nicht mehr vorhandenen Wertschätzung der Natur einhergeht.“ Dazu kommt, dass die Natur nicht nur aus den Städten zunehmend verschwindet, sondern auch aus den Bilderwelten der Kinder.

Bezug entwickeln

Jüngste Forschungen des Disneykonzerns belegen beispielsweise, dass in den Zeichentrickfilmen Tiere immer häufiger durch Roboter oder Autos ersetzt werden. Darüber hinaus verbringen Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit vor Computern und mit Smartphones. Das führt zur Bewegungsarmut, die in der Folge dick und krank machen kann. Vor allem für Kinder, die in Städten aufwachsen, ist es schwieriger, einen Naturbezug zu entwickeln.

„Wir wissen aber, dass naturbezogene Menschen physiologisch und psychologisch in unglaublich höherem Ausmaß gesünder sind und weniger unter mentalen Problemen leiden“, sagt Univ.-Doz. Dr. Arnulf Hartl, Immunologe und Leiter des Instituts für Ökomedizin der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg. Außerdem sind Natur und Wald wichtig, um das Immunsystem zu formen. Bauernkinder beispielsweise haben signifikant weniger Allergien.

Gerade das erste Lebensjahr ist hier entscheidend. Mit den Mikroorganismen aus Wald, Luft, Moos, Erde, Gewässern und Wiesen in Kontakt zu kommen, ist wie eine Impfung, die die Gesundheit der Kinder nachhaltig fördert. „Ein Urlaub auf dem Bauernhof kann da wertvolle Dienste für die psychische und physische Gesundheit von Kindern leisten“, empfiehlt Dr. Hartl. Schuh und Immich betonen, dass die Möglichkeiten zum freien Spielen und Lernen in der Natur die kognitive, soziale und motorische Entwicklung von Kindern nachhaltig unterstützen. Naturaufenthalte legen damit den Grundstein für Gesundheitsbewusstsein und Wohlbefinden. Erfahrungen zeigen, dass ein regelmäßiger Waldbesuch von mindestens zweimal pro Woche die emotionale Naturverbundenheit deutlich fördert, wohingegen gelegentliche Naturaufenthalte keine emotionale Bindung aufrechterhalten können.

Waldgenuss verjüngt

Von einem Naturaufenthalt profitieren aber Menschen jeden Alters, denn neben der Stressreduktion steigt dadurch auch die körperliche Aktivität. Untersuchungen bei Senioren zeigen außerdem, dass sie einen Zuwachs an koordinativen Fähigkeiten aufweisen, wenn sie regelmäßig in der Natur unterwegs sind. Durch das öfter geübte Gehen auf unebenen Wegen reduziert sich das Sturzrisiko deutlich.

„In einer speziellen Untersuchung haben wir sehr intensiv studiert, wie sich ein Aufenthalt in den Wäldern und Bergen des Tennengauer Mittelgebirges rund um Abtenau auf das Immunsystem, die kognitive Leistungsfähigkeit, das Gleichgewicht und die Balance von älteren Menschen auswirkt“, berichtet Dr. Hartl. Die Ergebnisse waren verblüffend: Eine Woche Naturtherapie mit Wandern im Wald und Baden im Abtenauer Heilwasser wirkte biologisch verjüngend. Das heißt, Komponenten des Immunsystems verbesserten sich, Muskelmasse und fettfreie Masse wurden aufgebaut, das Gleichgewicht und Arbeitsgedächtnis wurde gestärkt.

Von einem Naturaufenthalt profitieren Menschen jeden Alters (Foto: borchee/iStockphoto.com)

Therapeutische Wirkung

Dass ein Waldspaziergang entspannend und wohltuend wirkt, bezweifelt niemand. Aber hat er auch medizinisch messbare Auswirkungen? „Wir haben über 30 klinische Studien über die Wirkungen von Natur auf Erkrankungen des Menschen durchgeführt“, erklärt Dr. Arnulf Hartl im Interview mit dem ORF Salzburg. Darin konnten die Wissenschafter unter anderem nachweisen, dass Entzündungsparameter bereits nach einem aktiven einwöchigen Urlaub im Wald und Berg deutlich zurückgehen, Blutdruck und Ruhepuls sich senken, die Lungenkapazität erweitert wird, sich Balance und Körperzusammensetzung verbessern. Es bilden sich junge Immunzellen, ältere werden ausgesondert und das Immunsystem wird insgesamt nachhaltig gestärkt.

Darüber hinaus konnten die Studien des Instituts für Ökomedizin nachweisen, dass Bergwandern gegen chronischen Rückenschmerz hilft. „Die großen Schritte, die man dabei machen muss, das Ausschwingen des Beins und das Anheben der Knie stärken den Rumpf und die Beinmuskulatur“, beschreibt Dr. Hartl. Das kann dazu führen, dass man durch regelmäßiges Bergsteigen allein chronischen Schmerz deutlich reduziert beziehungsweise gänzlich loswird. „Mittels EEG können wir zudem messen, wie sich Emotionen durch die Betrachtung von Natur ändern“, setzt der Experte nach.

Balsam fürs Gemüt

Auch auf die Frage, warum der Wald auf die meisten Menschen eine beruhigende Wirkung hat, hat der Immunologe eine Antwort: „Da sich die Aufmerksamkeit im Wald auf die umgebende Natur richtet, können sich jene Bereiche im Gehirn, die zum Beispiel für Grübeln und Sorgen zuständig sind, während eines Waldspaziergang erholen. Wir entspannen uns physiologisch besser als an anderen Orten, etwa in der Stadt, wie eine Vielzahl an Studien zeigen konnte“.

Besonders wirkungsvoll hat sich ein Aufenthalt im Wald in Kombination mit Wasser erwiesen. Einerseits, weil das Plätschern und Rauschen den Parasympathikus aktiviert, also das körpereigene System, das für unsere Entspannung sorgt. Andererseits werden mithilfe des Sprühnebels – z. B. bei Wasserfällen – die Atemwege besonders gut gereinigt und bei AsthmatikerInnen tritt sogar eine lindernde und immunbalancierende Wirkung ein.

Am meisten profitiert man nach Dr. Hartls Erfahrung von einer Waldtherapie, wenn man sich regelmäßig und über eine längere Zeit – also zumindest eine Woche lang – im Wald und der Natur aufhält. Wer dabei wandert und sich aktiv bewegt, wird noch mehr positive Effekte erzielen. Je früher im Jahr man damit beginnt, desto besser. Denn gerade nach dem Winter sind wir gesundheitlich aufgrund des Mangels an Vitamin D schlechter aufgestellt, neigen zu saisonbedingten Depressionen und sind anfälliger für Infekte. Da tut Waldbaden in Kombination mit Bewegung in bewaldeter Natur, den Bergen und dem Wasser besonders gut.

Pflanzen als Waldersatz

Expertinnen und Experten raten, sich im Wald aufzuhalten, wann immer es geht. Doch wem die Luxus-Version Wald nicht oft zur Verfügung steht, kann dessen positive Wirkungen auch niedrigschwelliger erreichen: Schon ein grüner Garten, Zimmerpflanzen oder auch ein achtsamer Spaziergang im Stadtpark können heilsam sein.

Allein der Anblick von Bäumen wirkt nachweislich positiv. Bereits 1984 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin „Science“ Ergebnisse einer Studie zur gesundheitlichen Wirkung des Waldes, die unter anderem belegte, das Patienten, die nach einer Operation aus dem Krankenhausfenster ins Grüne schauten, schneller gesund wurden als jene, die auf eine Hausmauer blickten. Die Patienten mit Baumblick benötigten auch weniger Schmerzmittel.

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