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Die Schafgarbe (Achillea millefolium) wirkt krampf- und stresslösend (Foto: SilviaJansen/iStockphoto.com)
Die Schafgarbe (Achillea millefolium) wirkt krampf- und stresslösend (Foto: SilviaJansen/iStockphoto.com)

Pflanzen für die Seele

Seelische Nöte werden heute in der Psyche verortet, man spricht von Depressionen, Ängsten und Stress. Bevor es die moderne Medizinforschung gab, war es anders: Da galten sie als Erkrankungen des Herzens. Daher wurden Kräuter, die auf psychischer Ebene wirksam sind, den Herzpflanzen zugeordnet.

Herz & Resilienz

Auch wenn psychische Probleme auf organischer Ebene nichts mit dem Herzen zu tun haben, gibt es direkte Zusammenhänge. Ständiger Druck mündet irgendwann in diffuse Ängste, auch als „frei flottierende Ängste“ bezeichnet. Sie führen langfristig zu Wut und Aggression, die sich auch gegen die Person selbst richten können. Solche Dynamiken können eine ganze Gesellschaft prägen. Die traditionelle europäische Phytotherapie hat hier viel zur Stärkung von Mut und Zuversicht zu bieten.

Vergessene “Herzpflanzen”

Neben populären Nerven-Pflanzen wie Lavendel und Johanniskraut gibt es viele andere Kräuter gegen Stress, die kaum bekannt sind:

• Borretsch (Borago officinalis). Der Borretsch oder „Himmelssternchen“ zählt – mit Lungenkraut und Beinwell – zu den Raublattgewächsen. Etwas entfernter ist die Verwandtschaft zum Vergissmeinnicht, mit dem er die himmelblauen Blüten gemeinsam hat. „Ich, Borretsch, mache immer guten Mut“, steht in alten römischen Schriften, und der deutsche Gelehrte Tabernaemontanus schrieb anno 1591: „… es sollen die holdseligen Borragenblumen in Speis und Trank fröhlich genützt werden, dann sie stärken das Herz und Hirn, erwecken die verzagte, traurige, melancholische Menschen zur Freud und Leichtsinnigkeit und läutern das Geblüt.“ Schon um 1150 war er in der Medizinschule von Salerno als Kraut gegen Kummer und Melancholie gelistet und wird auch später immer wieder gegen Trübsinn und andere „Herzkrankheiten“ empfohlen.

• Herzgespann (Leonurus cardiaca). Der mittelalterliche Name bedeutet in etwa „Anspannung des Herzens“ oder (moderner) Burnout. Früher wurde das Herzgespann sowohl bei seelischen als auch bei organischen Herzleiden verordnet. Tatsächlich stärkt es das Herz in Zeiten von Angst, Stress und Aufregung. Es wirkt krampflösend und sedierend. „Es gibt kein besseres Kraut, um die melancholischen Dämpfe vom Herzen zu vertreiben, es zu stärken und fröhlich zu machen. Außerdem macht es Frauen zu fröhlichen Müttern und beruhigt den Uterus, weswegen es Mutterwurz genannt wird“, so Nicholas Culpeper anno 1653. Lange Zeit wurde das Herzgespann praktischerweise dem Bier als Würze zugesetzt, bis das deutsche Reinheitsgebot dies verhinderte.

• Schafgarbe (Achillea millefolium). Der weit verbreitete Korbblütler wirkt krampf- und stresslösend, gleichzeitig aber durchblutungsfördernd, sodass er nicht müde macht, sondern aufrichtet und
kräftigt. Das tintenblaue ätherische Öl der Schafgarbe ist seelisch stark stabilisierend, indem es im Körper
die Dopamin-Produktion anregt. Dieser Neurotransmitter sorgt für Motivation, Tatendrang und Zuversicht und wird im Körper gleichermaßen bei gutem Essen, Sport und Sex produziert. Er ist Teil des körpereigenen „Belohnungssystems“. Im Volksmund gilt Dopamin daher als Glückshormon. Stärkend wirkt die Schafgarbe auch auf grobstofflicher Ebene: Als eines der mineralstoffreichsten Kräuter nährt sie die Knorpel, Sehnen und Bänder. In spiritueller Hinsicht sorgt sie für Standfestigkeit und für Boden unter den Füßen.

• Veilchen (Viola odorata). Von den 25 einander zum Verwechseln ähnlichen Veilchen-Arten sind es nur die duftenden, die einst als Herzmittel bekannt waren. Bis heute ist die Wirkung bei Nervosität, Depression, Schlafstörungen und Angstzuständen überliefert. Hildegard von Bingen verordnete
das Duftveilchen gegen Melancholie und „trübe Augen“, und laut dem englischen Arzt Culpeper „klärt es
den Kopf bei jenen, die zu viel Kopfarbeit leisten und erfrischt den Lebenssinn“. Die Säftelehre stuft die Veilchenblüten als kühl und feucht ein und bestätigt damit die Anwendung gegen die „Hitze des Herzens“ und das „Zornesfeuer im Gehirn“. Zur innerlichen Anwendung kommt die Frischpflanze für Tinkturen, das getrocknete Kraut für Tee.

• Waldziest (Stachys sylvatica). Dieser Lippenblütler, der der Taubnessel und der Brennnessel gleichermaßen ähnelt, wächst in vielen heimischen Waldgebieten und ist doch eher unbekannt. An seinem Duft, der vom ätherischen Öl herrührt, scheiden sich die Geister; wer den Geruch von Taubnessel und Gundelrebe mag, wird auch den des Waldziests ansprechend finden. Die anderen mögen ihn Stinknessel nennen, so einer der überlieferten Namen. Gegen böse Geister wurde mit dem Waldziest geräuchert, was schon auf die schützende Wirkung hinweist: Das destillierte Blütenwasser (heute: Hydrolat) macht das Herz fröhlich, bringt Farbe ins Gesicht und weckt die Lebensgeister, schrieb die englische Gelehrte Margaret Grieve in ihrem legendären „Modern Herbal“ im Jahr 1931. Die Verwendung als „Berufkraut“, also gegen Verwünschungen, Anrufungen und Zauber, legt nahe, dass die Pflanze Selbstbewusstsein, Widerstandskraft und Abgrenzung fördert.

• Lindenblüte (Tilia sp.). In Volksliedern wird die Linde stets als Baum des Friedens und der Freude besungen. Der Duft der Lindenblüten im Juni ist pure Aromatherapie: Honigsüß und balsamisch weich, wirkt er besänftigend bei Angst und Stress. Der Tee ist als Husten- und als Nervenmittel bekannt. Beruhigend, entspannend und schmerzlindernd wirkt auch das Gemmo-Mazerat: ein Alkohol-Glycerin-Extrakt aus den noch geschlossenen Knospen im Frühling. Bei akuten Ängsten und Überlastung sollen dreimal täglich mehrere Sprühstöße in den Mund helfen.

• Birkenporling (Fomitopsis betulina). Pilze wurden in der Volksmedizin den Pflanzen zugeordnet, auch wenn sie botanisch ein eigenes Reich bilden. So enthalten asiatische „Kräuter“-Mischungen meistens auch Pilze. Ein europäischer Heilpilz ist der Birkenpor- ling. Der (creme)weiße Baumpilz weit verbreitet und leicht zu erkennen. Festfleischig und bitter, ist er als Speisepilz untauglich, hat aber vielfältige Heilwirkungen. Birkenporlings-Abkochungen werden vor allem bei Verdauungsbeschwerden getrunken, sie haben aber auch ausgeprägte Effekte auf Geist und Nervenkostüm – kein Wunder: Bauch und Psyche stehen in enger Verbindung, wie die Wissenschaft inzwischen bestätigt hat. Mehrwöchige Birkenporlings-Kuren erhöhen die geistige Leistungsfähigkeit, stärken die Nerven und helfen bei Schlafstörungen, chronischer Müdigkeit und Erschöpfung, Spannungskopfschmerz und Überempfindlichkeit der Augen.

Aromatherapie der Urzeit

Bei der Verwendung von Kräutern für die Psyche ist das Räuchern nicht wegzudenken. Es ist die Ur-Form der Aromatherapie, die sich heute der ätherischen Öle bedient. Das Räuchern dürfte ebenso weit zurückreichen wie die Verwendung des Feuers. Es ist das schlichte Verglimmen zumeist pflanzlicher Materialien. Sie sollen aber nur behutsam erhitzt werden. So lösen sich Partikel aus dem Pflanzengewebe, die gerade klein und leicht genug sind, um mit der Wärme aufzusteigen und in der Luft zu schweben. Sie tragen noch die charakteristischen Eigenschaften der Pflanze sowie ihr ätherisches Öl. Für Seelen-Räucherungen verwendet man vornehmlich Rose, Melisse, Lavendel, Johanniskraut, Engelwurz und Holunder, sowie Propolis als eines der wenigen nicht-pflanzlichen Räuchermittel. So ergibt sich mit Kräutertees, duftendem Rauch und dem sinnlichen Hantieren mit Kräutern und Feuer eine Kombination, die sich schön zum Ritual machen lässt – auch ein Grundstein für psychische Stabilität.

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