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Personalisiert, maßgeschneidert, zielgerichtet – so lauten die Begriffe, die in der modernen Krebsmedizin und -forschung heutzutage tonangebend sind (Foto: KatarzynaBialasiewicz/iStockphoto.com)
Personalisiert, maßgeschneidert, zielgerichtet – so lauten die Begriffe, die in der modernen Krebsmedizin und -forschung heutzutage tonangebend sind (Foto: KatarzynaBialasiewicz/iStockphoto.com)

Jeder Krebs ist anders

Trotz verbesserter Früherkennung und neuer Behandlungsmöglichkeiten ist ein Karzinom immer noch die zweithäufigste Todesursache nach den Herz-Kreislauferkrankungen. „Der Hauptteil der Arzneiforschung geht in den Bereich Onkologika, und mehr als 50 Prozent der jährlich zugelassenen Medikamente gehören der Krebsmedizin an“, erklärt Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter des Zentrums für Tumorerkrankungen im Ordensklinikum Linz.

Die Zahl der Patienten, die Krebs bekommen oder mit ihm leben, wird weiter steigen. „Wer früher als austherapiert galt, für den hat die Medizin heute manchmal noch Therapieoptionen, wenn der Krebs ein zweites oder drittes Mal zurückkehrt. So wird Krebs häufiger zu einer chronischen Erkrankung“, so der Linzer Onkologe. Die zu erwartende Lebensqualität des Patienten ist immer mitentscheidend, welche Therapie sinnvoll ist. Die Toxizität setzt der Tumorbehandlung ihre Grenzen. Als bewährte Säulen der Krebstherapie gelten Operation, Chemo- und Strahlentherapie sowie die Hormontherapie. Bei all diesen Methoden gibt es ständig verbesserte und präzisere Anwendungsschemata, die gesunde Zellen schonen bzw. weniger Nebenwirkungen erzeugen.

Personalisiert, maßgeschneidert, zielgerichtet – das sind die Begriffe, die in der modernen Krebsmedizin und -forschung tonangebend sind. Die sogenannte zielgerichtete Therapie (targeted therapy) und die Immuntherapie haben in den vergangenen zehn, 15 Jahren vor allem für Krebskranke mit Metastasen eine längere Überlebenszeit gebracht.

Molekularbiologie macht’s möglich

Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms um die Jahrtausendwende war auch für die Krebsmedizin ein Meilenstein mit der Grunderkenntnis: Jeder Tumor ist anders. Man glaubt, dass es weit mehr als 100 Krebsarten gibt und unterscheidet nicht nur nach Organen wie Lungen-, Brust-, Nieren- oder Leberkrebs, sondern weiß, dass es zum Beispiel beim Lungenkarzinom zig genetische Mutationen gibt.

Auf dieser Basis werden zunehmend molekularbiologische Therapien entwickelt, die auf ganz spezifische Eigenschaften von Krebszellen abzielen, die nicht oder kaum auch bei gesunden Körperzellen vorhanden sind. Mit diesen zielgerichteten Therapien hofft man, die Krebszellen wirkungsvoll zu bekämpfen bzw. das Tumorwachstum aufzuhalten. Diese maßgeschneiderte Krebstherapie setzt eine molekular-genetische Untersuchung vom Tumorgewebe voraus. Die Veränderungen, die die Turmorzelle charakterisieren und sie „verwundbar“ machen, nennt man Biomarker. Sie erlauben eine Vorhersage, ob eine bestimmte Therapie wirkt und eingesetzt werden kann.

Den Krebs punktgenau angreifen

Ob eine zielgerichtete Behandlung in Frage kommt, hängt von der Tumorart, vom Krankheitsstadium und den genannten Biomarkern der Krebszelle ab. Die neuen Wirkstoffe werden als Infusion, Spritze oder Tabletten verabreicht. Manchmal ist es sinnvoll, sie mit anderen Therapien, wie etwa Chemotherapie, zu kombinieren. Letztere greift eher unspezifisch alle schnell wachsenden Zellen an, wodurch auch gesunde Zellen Schaden nehmen können. „Zielgerichtete Therapien haben allerdings ebenso Nebenwirkungen, etwa an Haut, Nägeln, Leber, Magen-Darm-Trakt, Schilddrüse und Herz-Kreislauf- System. Sie müssen daher gut gemanagt werden“, betont Onkolge Dr. Weltermann. Bei Lungen-, Darm und Brustkrebs sind schon zahlreiche solche Biomarker auf oder in den Krebszellen bekannt, die sich maßgeschneidert angreifen lassen. In Österreich wird heute zum Beispiel bei neu diagnostizierten Lungenkarzinomen eine reflektorische Biomarkertestung („Reflextestung“) automatisch durch die Pathologien durchgeführt, und die Ergebnisse werden an die behandelnden Ärzte übermittelt. Im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards können Krebskranke dadurch rasch und zielgerichtet behandelt werden.

Die Signalwege werden bei zielgerichteten Krebstherapien auf unterschiedlichen Wegen blockiert. Beispiele für die Wirkweise und die Wirkstoffe:

Monoklonale Antikörper verhindern vom Zelläußeren her, dass Wachstums- und Vermehrungssignale in der Tumorzelle ankommen. Beispiel: Trastuzumab bei Brustkrebs.

Kleine Moleküle oder Tyrokinaseinhibitoren dringen in die Zelle ein und unterbinden die Signale zu Zellwachstum und -vermehrung. Beispiel: Lapatinib bei Brustkrebs.

Angiogenesehemmer hungern den Tumor aus bzw. behindern die Blutgefäßneubildung zur Ernährung des Gewächses. Beispiel: Bevacizumab bei Brust- oder Darmkrebs.

Antikörper als Transportmittel werden genutzt, um gezielt Zellgifte zur Tumorzelle zu bringen. Dazu koppelt man sie an Giftstoffe (etwa Chemotherapeutika) oder radioaktive Substanzen. Einsatz zum Beispiel bei Brustkrebs.

Müllentsorgung blockieren – sogenannte Proteasom-Hemmer bewirken, dass die Tumorzelle am eigenen Müll erstickt. Einsatz z. B. bei multiplem Myelom (Blutkrebsart).

Immunsystem als Waffe

Neueste Errungenschaft sind Immuntherapien gegen Krebs. Sie befähigen, vereinfacht ausgedrückt, den Körper, selbst wieder entartete Zellen anzugreifen und abzutöten, was ja eigentlich Aufgabe unseres Abwehrsystems ist. Nur leider können sich manche Tumore so tarnen, dass das Immunsystem sie nicht als krankmachend und fremd erkennt. Man sucht nun also Wege, wie man der Tumorzelle diese Tarnung rauben kann.

• Checkpoint-Hemmer, eine Sonderform der Immuntherapie bei Melanom mit Metastasen: Das Melanom ist ein aggressiver Krebs. Die Immun-Checkpoint-Inhibitoren, von denen das erste Präparat namens Ipimilumab 2011 in Europa zugelassen worden ist, lösen körpereigene Bremsen im Immunsystem, damit der Tumor effektiver bekämpft wird. Mit dieser neuen Therapie konnte die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei metastasiertem Melanom von fünf Prozent auf 50 Prozent gesteigert werden. „In naher Zukunft sind neue Verabreichungsschemata zu erwarten, wie z. B. die Anwendung vor der Entfernung der Lymphknotenmetastasen. Man nennt das neoadjuvante Immuntherapie. Dadurch erhofft man sich eine stärkere Aktivierung des Immunsystems und folglich insgesamt ein besseres Therapieansprechen. Zu diesem Thema beginnen aktuell klinische Studien in Österreich und Deutschland“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Wolfram Hötzenecker, Vorstand der Klinik für Dermatologie und Veneralogie im Kepler Universitätsklinikum Linz. Auch beim Nierenzell-, Lungen- und Plattenepithelkarzinom werden Immun-Checkpoint-Hemmer schon eingesetzt. Beim Lungenkrebs belegen etwa immer mehr Studiendaten und klinische Erfahrungen die Effektivität nicht nur im metastasierten Setting, sondern auch in früheren Krankheitsstadien.

• Zelluläre Immuntherapie, alias „CAR-T-Zell-Therapie“ bei Lymphknotenkrebs und bestimmten Formen der Leukämie: Bei dieser Immuntherapie werden T-Immunzellen aus dem Blut des Erkrankten herausgefiltert und im Labor gentechnisch verändert, sodass sie ein bestimmtes Protein, einen chimären Antigenrezeptor (CAR), auf ihrer Oberfläche bilden, der die Krebszellen erkennt. Die CAR-T-Zellen werden dem Patienten dann über eine Infusion zurückgegeben und führen zu einer heftigen und lang anhaltenden Immunreaktion gegen den Krebs. „Diese zelluläre neueste Krebstherapie ist komplex und kann zu schweren Nebenwirkungen führen, daher wird sie derzeit nur an ausgewählten onkologischen Zentren in Österreich im Rahmen von Studien verabreicht. Man erhofft sich dadurch eine um bis zu 30-prozentige Heilungschance bei den angesprochenen Krebsarten“, weiß Dr. Weltermann.

Ambulant statt stationär

„Von einer Impfung als Krebsbehandlung sind wir weit entfernt. Hingegen ist die Impfung gegen HPV – also Virem, die Gebärmutterhalskrebs und Tumoren im Kopf-Hals-Bereich auslösen können – sinn- und wertvoll“, erläutert Dr. Weltermann. Er glaubt zudem, dass künftig mehr Krebstherapien ambulant, entweder in Tablettenform zu Hause oder sonst in Spitalsambulanzen, durchgeführt werden können. Anzustreben sei, dass Patienten die bestmögliche Versorgung nahe ihres Wohnortes erhalten. „Österreich ist in der Krebsmedizin sehr gut aufgestellt und die Patienten haben schnell Zugang zur optimalen Therapie“, sagt der Onkologe. Ziel der Forschung ist, immer mehr über die Tumorbiologie zu erfahren und somit die Mechanismen der Krebsentstehung zu erkennen, um noch viel besser zielgerichtet behandeln zu können. Die Tumorbehandlung soll flexibel und breit aufgestellt sein, sodass man etwa bei schlechtem Ansprechen oder starken Nebenwirkungen auf Alternativen zugreifen kann.

Oberstes Kriterium in der personalisierten Medizin ist die Beurteilung der therapeutischen Belastbarkeit des Patienten. In speziellen Tumorboards besprechen Mediziner verschiedener Fachdisziplinen alle Befunde und versuchen, die bestmögliche individuelle Therapie zu finden. Für Patienten über 70 Jahre gibt es im Vorfeld oftmals ein sogenanntes Onko-Geriatrisches Assessment. In dieser Begutachtung werden medizinische, psychosoziale und funktionelle Ressourcen sowie Probleme des Krebskranken vor Operationen oder Therapien erfasst. Der Geriater führt Tests zu Muskelkraft und Gedächtnis durch und checkt Begleiterkrankungen, Ernährungsstatus, Depressionen und Polypharmazie ab. Auch, wie die Unterstützung des Patienten in der Nachsorge zu Hause aussieht, wird abgefragt. All das beeinflusst die Genesung.

Zurück ins Leben

Jeder Mensch geht individuell mit seiner Erkrankung um. Ein Pauschalrezept für die Bewältigung gibt es nicht. In den Krankenhäusern gibt es psychologische Unterstützung und Beratung in sozialmedizinischen Fragen. Die Krebshilfe etwa gibt Auskunft über einen Teilzeit-Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess nach Therapieende. In Österreich wird altersunabhängig eine onkologische Rehabilitation – ambulant oder stationär – angeboten, um möglichst schnell wieder in das Alltagsleben zurückzufinden.

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