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Ob Falten im Gesicht, die Taille zu breit, die Nase zu groß oder Pigmentflecken am Körper – alles kann Anlass für „Bodyshaming“ sein (Foto: Irina Vityuk/iStockphoto.com)
Ob Falten im Gesicht, die Taille zu breit, die Nase zu groß oder Pigmentflecken am Körper – alles kann Anlass für „Bodyshaming“ sein (Foto: Irina Vityuk/iStockphoto.com)

Zwischen Selbstliebe und Selbstlüge

Viele denken täglich daran, andere selten und manche sogar nie. Die Rede ist vom eigenen Körpergewicht. Wiegt man mehr als man vielleicht sollte, wird man oft zur Zielscheibe unterschiedlicher Zuschreibungen. Waage, Spiegel und aufmerksame Mitmenschen erinnern unerbittlich daran, dass unsere Körpermaße nicht dem Durchschnitt entsprechen. Und über allem schwebt ständig das Gefühl: Ich bin nicht in Ordnung, so wie ich bin. Aber im Ernst, wie geht es uns, wenn wir selbst merken, dass wir mit unserem Körper schon lange nicht mehr im Einklang sind? Wenn die Hose wieder einmal zu eng geworden ist? Oder man in knappen Sesselreihen bzw. engen Liften unfreundliche Blicke erntet? Verurteilen wir uns und unsere Disziplinlosigkeit, weil wir Salat einfach nicht schmackhaft finden und uns lieber auf der Couch als beim Jogging vom Alltagsstress erholen? Oder trösten wir unser Selbstmitleid mit dem nächsten Schokoriegel? Womöglich überlegen wir bereits hoffnungsvoll und motiviert den x-ten Abnehmversuch? Wer Gedanken dieser Art kennt, weiß: Das Grübeln rund ums Gewicht ist nicht selten ein ewiges Auf und Ab. Und belastend.

Wer sagt, dass ich zu dick bin?

Wer von Übergewicht betroffen ist, weiß, was einem im Alltag so alles begegnen kann. Ob beim Einkauf von Kleidung, beim Essen im Restaurant oder im Schwimmbad. Man kennt abschätzige Blicke und halblaute Kommentare. Selbst die vielleicht lustig gemeinten Neckereien von Familie, Freunden oder Kollegen können treffen. Und dann setzt auch noch der Hausarzt eine strenge Miene auf.

In vielen Lebensbereichen geschehen gegenüber mehrgewichtigen Menschen sogar handfeste Diskriminierungen, wie Untersuchungen mittlerweile sehr deutlich belegen. Sei es bei Versicherungen, im Berufsleben und sogar im Gesundheitswesen passiert es gar nicht so selten, dass man respektlos oder sogar unzureichend behandelt wird.

Kinder und Jugendliche, die zu viel auf die Waage bringen, haben es besonders schwer. Denn Spott und Ausgrenzung tun in jungen Jahren besonders weh. Aber auch Gutgemeintes kann Kinder verunsichern und tief kränken. Hinter Sätzen wie „Iss lieber einen Apfel statt dem Eis“ oder „Mach doch endlich Sport statt immer nur Computer zu spielen“ steckt im Grunde der Vorwurf „Du bist nicht richtig, so wie du bist und du sollst dich gefälligst ändern.“ Wichtig ist hier zu sehen, dass sich immer zuerst das Umfeld eines Kindes ändern muss. Erst dann, kann alles andere Notwendige folgen.

Bodyshaming

Ist das Aussehen eines Menschen Anlass für Beschämung, Ungleichbehandlung oder Mobbing, so spricht man neudeutsch von Bodyshaming (Körperbeschämung). Dieses Phänomen gibt es, seit es Menschen gibt. Neu ist allerdings das stetig wachsende Ausmaß der Arten von Diskriminierung, bei denen der Körper zur Zielscheibe wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Beispielsweise fallen in der Anonymität des Internets viele Hemmungen, und Beleidigungen gegen eine Person werden mit einem einzigen Klick vielfach geteilt. Gut ist, dass sich Betroffene und solidarische Personen im Gegenzug der gleichen Kanäle bedienen können, um gegen Abwertung und Diskriminierung aufzutreten. Wie wichtig das ist, wird einem klar, wenn man bedenkt, dass wohl jede und jeder von uns schon einmal irgendeine Form von Bodyshaming buchstäblich am eigenen Leib erlebt hat. Ob Falten im Gesicht, die Nase zu groß oder die Taille zu breit – alles kann Anlass sein. Bodyshaming hat aber niemals mit der Person per se zu tun, sondern nur mit der Absicht, jemanden in seiner Integrität anzugreifen oder sich auf seine Kosten lustig zu machen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen und Mädchen überdurchschnittlich oft von Körperdiskriminierung betroffen sind. Dass das alles keine Kleinigkeit ist, zeigen die weitreichenden Folgen. Denn auf Dauer leidet nicht nur der Selbstwert, sondern der ganze Mensch. Denn wie wir wissen: Was uns kränkt, macht uns irgendwann auch krank.

Tarnen & Täuschen

Doch wie ist es gekommen, dass speziell unser Aussehen so viel Angriffsfläche bietet? Eine schlüssige Erklärung ist die ständige Flut an Bildern von jungen, fitten, perfekten Körpern und Gesichtern. Man beginnt unweigerlich sich zu vergleichen und es wächst der Wunsch, auch so aussehen zu wollen. Hinzu kommt der Frust, dass man nie so aussehen wird. Da überrascht es wenig, wenn neun von zehn Frauen angeben, nur gefilterte Selbstportraits zu posten. Aber auch sonst werden Bilder und Videos mit allerlei technischen Tricks verfälscht. Eine derartige, verzerrte Darstellung der Wirklichkeit beeinflusst nachweislich unsere Selbsteinschätzung, wie ein spannender Versuch mit 200 jungen Probandinnen zeigte. Einer Gruppe wurden dabei digitale Inhalte mit ausschließlich schlanken und sehr sportlichen Personen gezeigt. Die Vergleichsgruppe hingegen sah Bilder von durchschnittlich aussehenden Menschen. In der darauffolgenden Befragung zeigte sich, dass die Teilnehmerinnen der zweiten Gruppe weitaus zufriedener mit sich selbst und ihrem Körper waren und sogar bessere Laune hatten als die Teilnehmerinnen der ersten Gruppe.

Eine ganz andere Untersuchung förderte ebenfalls Erstaunliches zu Tage. Nach Körpergewicht eingeteilte Personengruppen sollten ihren BMI schätzen und ihre Körpersilhouette zuordnen. Übergewichtige Männer schätzten sich dabei meist deutlich leichter und dünner ein als sie tatsächlich waren, während Frauen mit Mehrgewicht ihre Werte und Maße sehr gut erfassen konnten. Sehr spannend war auch, dass sich jede zweite normalgewichtige Frau für übergewichtig hielt. Man sieht also, dass es für viele gar nicht so einfach ist, den eigenen Körper realitätsnah wahrzunehmen.

Positiv, aber realistisch

Man kann das Spiel der optimierten Körper und Gesichter eifrig mitspielen und viel Zeit, Geld und Mühe in die eigene äußere Hülle investieren – oder sich dem eigenen Körper wohlwollend und liebevoll widmen. „Nobody ist perfect“, hieß es schon bei Billy Wilder (Filmklassiker „Manche mögen’s heiß“). Und schließlich liegt jede Schönheit noch immer im Auge des Betrachters.

Sein Äußeres vorbehaltlos zu akzeptieren, ist zugegebenermaßen eine schier unmögliche Übung. Und es gelingt schon gar nicht von einem Tag auf den anderen. Doch jede noch so kleine Selbstakzeptanz hilft uns, uns in unserer Haut wohlzufühlen. Und das ist gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für echte Zufriedenheit. Lebt man die Devise „Lebenslust statt Körperfrust“, entsteht wie von selbst das Bedürfnis, sich gut um den eigenen Körper zu kümmern. Die Maxime könnte hier auch pointiert heißen: Liebe deinen Körper, denn du hast nur den einen.

Tatsache ist: Die meisten Menschen gelangen durch Selbstakzeptanz auch zu mehr Gesundheit. Kritiker der Body-Positivity-Bewegung warnen allerdings vor einer bedingungslosen Körperakzeptanz, da diese gesundheitsschädliche Verhalten fördern kann. Beispielsweise sollte Übergewicht nicht als normaler oder gar erstrebenswerter Zustand gesehen werden. Auch dazu wurde geforscht, und es zeigte sich, ganz klar, dass ein positives Körperbild den Weg für einen gesünderen Lebensstil sehr gut ebnen kann. Fühlt sich jemand aufgrund seines Körperumfangs hingegen stigmatisiert oder abgewertet, fehlt es weitgehend an Motivation, für die eigene Gesundheit aktiv zu werden. Eine positive Körperakzeptanz hat nicht zuletzt auch nachweislichen Einfluss auf die persönliche psychische Balance. Sehr klar erfasst wurde das von der
bekannten britischen Psychologin Dr. Phillippa Diedrichs, wenn sie erklärt, dass Menschen, die mit ihrem Körper weitgehend zufrieden sind, sehr viel weniger Stress, Ängste und Depression erleben.

Als Fazit kann somit manch plagendes Kilo als gut gemeinte Erinnerung an uns verstanden werden, wieder mehr auf unsere Gesundheit zu achten. Und wie auch sonst gilt der vielzitierte Satz: „Kümmere dich gut um deinen Körper, denn er ist es, der dich durchs Leben trägt.“

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