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Bei Kampfsport hat das Training nicht nur einen körperlichen Effekt, sondern wirkt auch positiv auf die Psyche (Foto: JackF/iStockphoto.com)
Bei Kampfsport hat das Training nicht nur einen körperlichen Effekt, sondern wirkt auch positiv auf die Psyche (Foto: JackF/iStockphoto.com)

Kampfsport geht immer! Oder?

Meine Karriere in Karate als Studentin fand ein rasches Ende, als ich mich aufgrund meines nicht vorhandenen Sixpacks außerstande sah, die anderen Teilnehmer beim Training über meinen Bauch gehen zu lassen. Doch der Gedanke, mich im Notfall verteidigen zu können, ließ mich all die Jahre nicht los. Mit Begeisterung verfolgte ich Serien wie „Relic Hunter – die Schatzjägerin“, in der die zarte, aber durchtrainierte Hauptdarstellerin fünf Männer gleichzeitig auf den Boden beförderte. Auch Kommissarinnen in Krimis, die dem Bösewicht das Knie in den Schritt rammten, faszinierten mich. Doch nie kam mir der Gedanke, mich selbst wieder in einen Trainingssaal zu begeben. Denn in reiferen Jahren hielt ich das für keine gute Idee. Ich leide an einigen Bandscheibenvorfällen, meine Kondition befindet sich in einem Bereich, auf den ich nicht stolz bin und dasselbe lässt sich über mein Gewicht sagen. Doch dann erfuhr ich, dass der 82-jährige Gerd Peka, der erst mit 72 Taekwondo zu trainieren begann, heute der älteste Schwarzgurtträger Österreichs ist. Sein Motto: „Enten füttern ist mir zu langweilig.“

Elisabeth Strnad, 57, Schwarzgurtträgerin in Taekwondo, hatte ebenfalls Wirbelsäulenprobleme und diverse andere Beeinträchtigungen. Durch das regelmäßige Training ist sie nun in einer so guten Verfassung, dass selbst ihre Ärzte aus dem Staunen nicht herauskommen. Strnad: „Beim Ski-fahren habe ich einen Eishügel übersehen und bin gestürzt. Danach hatte ich starke Schmerzen im Gesäß und Kreuzbereich, sodass ich kaum gehen oder stehen konnte. Physiotherapie hat nicht geholfen. Der Orthopäde stellte fest, dass ich ein Wirbelgleiten im Lendenbereich hatte. In der zweiten Schwangerschaft machten sich plötzlich Lähmungserscheinungen bemerkbar. Ich hatte immer wieder Rückenschmerzen und schließlich konnte ich weder gehen, stehen noch sitzen.“ Das MRT ergab eine Verschiebung ihrer Wirbel. Nach der OP machte sie mit jeder sportlichen Tätigkeit ein Jahr Zwangspause. „Im Herbst 2012 schenkte mir mein Sohn eine Einführungsstunde für Taekwondo. Ich war sofort begeistert. Im Sommer 2020 legte ich die Prüfung zum 2. DAN erfolgreich ab. Erstaunicherweise tat das Training meiner Rückenmuskulatur sehr gut. Bei der Kontrolle konnte der Neurochirurg es kaum glauben.“ Die 57-Jährige fühlt sich heute „selbstbewusster und sicherer“ und sagt: „Ich bin überzeugt, dass ich es im Ernstfall durchaus mit einer ganzen Gruppe, die mich angreift, aufnehmen könnte“.

Kampfkunst, Sport oder Selbstschutz

Grundsätzlich wird zwischen Kampfkunst, Kampfsport und Selbstschutz unterschieden. In jeder Disziplin ist regelmäßiges Üben unerlässlich für den Erfolg. 

• Bei der Kampfkunst (z. B. Kung Fu, Karate) geht es nicht nur um körperliches Training und Kampf, sondern auch um „Tugenden“ (u. a. Barmherzigkeit, Geduld, Loyalität, Selbstbeherrschung, Mut und Vertrauen). 

• Beim Kampfsport (z. B. Boxen) werden die Übungen rein sportlich gesehen.

• Selbstschutz ermöglicht es jedem, auch körperlich eingeschränkten Personen, sich mittels bestimmter Griffe und Alltagsgegenstände wie Schirm, Kugelschreiber oder Schlüssel im Notfall verteidigen können.

Nachgefragt

Mag. Ing. Iris Amelie Ginthör-Weinwurm, 47, Körpertherapeutin und Mitbegründerin der „Garuda Warrior Academy“, hat mit 39 Jahren die österreichische Staatsmeisterschaft im Kung Fu Sanda gewonnen. Davor trainierte sie Wing Tsun (in einem weiblichen Kloster für Frauen entwickelt), Jeet kun do (ein Konzept, das der Kampfkünstler Bruce Lee entwickelt hat) Muay Thai und klassisches Boxen. Schließlich landete sie beim Shaolin Kung Fu, zu dem auch die auf sanfte Bewegung und Atmung ausgerichteten Formen Qi Gong und Tai Chi gehören. Ginthör-Weinwurm: „Interessanterweise ist es wichtig, einen Kampf eher zu vermeiden, und zu entscheiden, ob Weglaufen eine Möglichkeit darstellt. Aber durch das Training habe ich eine starke und selbstbewusste Ausstrahlung bekommen. Dadurch vermittle ich, dass ich kein Opfer bin und komme daher weniger leicht in solch eine Situation. Aber grundsätzlich hat Kung Fu ein großes Repertoire an Techniken. So kann auch ein David einen Goliath besiegen. Fürs Training gibt es keine Altersobergrenze“.

Bernhard Böhm, 58, Krav Maga AV Instruktor und staatlich geprüfter Sport Instructor erzählt eine besonders Mut machende und berührende Geschichte: „Ich trainiere seit 1998 Kampfsport, vier Jahre Kung Fu und seit 2002 Krav Maga Allround. Seit 2010 habe ich eine seltene Form von Weichteilkrebs, der leider nicht heilbar oder mit Chemotherapie zu stoppen ist. Zweimal schon, 2010 und 2014, wollten die Ärzte meine rechte Hand amputieren, 2012 den linken Arm. Ich habe beides abgelehnt und gehe lieber operieren, denn ich kämpfe um jeden Millimeter meiner Gliedmaßen. Der Kampfsport und die Selbstverteidigung geben mir die Kraft, niemals aufzugeben. Nicht nur der Körper bleibt dadurch fit, auch die Psyche profitiert extrem. In der Trainingsgemeinschaft habe ich die Unterstützung gefunden, den mühsamen Weg „Weiterleben“ zu gehen. So eigenartig es klingt – ich habe kämpfen gelernt, um niemals kämpfen zu müssen. 90 Prozent der Lösungen von Konfliktsituationen sind im Kopf. Vieles lässt sich schon vorher entschärfen. Doch wenn es notwendig wird, habe ich das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen erlangt, etwas tun zu können. So habe ich mich nie in die Opferrolle begeben – auch, was meine Erkrankung betrifft. Jeder hat Macht über seine Worte und sein Tun. Es liegt immer an uns selbst, die Eigenverantwortung zu übernehmen. Krav Maga Allround gibt jedem die Möglichkeit, unabhängig von Alter, Geschlecht, körperlichen Einschränkungen oder konditionellen, koordinativen Fähigkeiten, sich gegen verschiedene Konflikte oder Angriffe zu wehren.“

Dr. Katharina Lichtenberger, 60, Psychotherapeutin in Wien, hat mit Taekwondo aus gesundheitlichen Gründen begonnen. „Für mich vereint kein anderer Kampfsport Kondition, Kräftigung, Ausdauer und Stretching so gut miteinander. Ich bin nunmehr seit 17 Jahren dabei und habe 2019 den 4. Dan erworben. Dafür habe ich vier Bretter durchgeschlagen. 2009 und 2011 hatte ich einen Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule. Ich habe trotzdem weiter trainiert, aber sehr vorsichtig. Taekwondo ist extrem gut für den ganzen Rücken und daher grundsätzlich für alle Altersgruppen und auch für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu empfehlen. Ich bin der festen Überzeu- gung, dass das Training nicht nur einen körperlichen Effekt hat, sondern auch positiv auf die Psyche wirkt. Wenn ich weiß, ich kann mich physisch wehren, fühle ich mich sicherer und mein Selbstbewusstsein steigt. Für mich entstanden in der Gruppe auch nette Freundschaften, damit hat das Training auch einen sozialen Effekt.“

Erwin Schön, 61, Obmann des Judovereines DSG Yawara-michi Austria, erzählt: „Ich betreibe Judo seit ich zehn war, also seit mehr als 50 Jahren. Daraus wurde eine lebenslange Leidenschaft, die mich bis heute fasziniert. In erster Linie ist Judo ein Sport – zur Verbesserung und Erhaltung der körperlichen Fähigkeiten Kraft, Schnelligkeit, Gewandtheit, Ausdauer und Reaktionsvermögen. Die Techniken selbst kommen aus der Kriegskunst der alten Samurai in Japan. Ein wichtiger Aspek dabei ist Vorsicht und Rücksichtnahme. Diese Achtung wird durch das Verbeugen vor dem Partner ausgedrückt“. Judo könne in jedem Lebensabschnitt eine Bereicherung sein, weiß Schön. „In der Jugend legt man vielleicht Wert auf körperliches Leistungsvermögen. Als reifer Erwachsener möchte man sich auch mit dem philosophischen Background befassen oder legt den Schwerpunkt auf die Selbstverteidigung. Und das kann jeder auch im fortgeschrittenen Alter erlernen und ausüben. Ein klärendes Gespräch mit dem Arzt vor Trainingsbeginn ist trotzdem sinnvoll.

Was kann Judo einem älteren Menschen bieten? „Die körperliche Bewegung trainiert die Muskeln, und auch die Knochen werden gestärkt. Hinzu kommt die geistige Herausforderung. Der Partner wird beobachtet, um auf dessen Bewegungen reagieren zu können. Orientierungsfähigkeit und Gleichgewichtsgefühl werden verbessert. So kann man im Training feststellen, wozu man noch in Lage ist und das Vertrauen in sich selbst stärken.“ Angst vor den Fallübungen sei unbegründet, denn das könne ebenfalls altersadäquat geübt werden, betont Schön. „Ich rate jedem, der die Lust verspürt, Judo oder eine andere Kampfsportart in späteren Jahren zu beginnen, es zumindest zu versuchen. Beim Judo ist die Verletzungsgefahr so gering wie in keiner anderen Sportart. Das japanische Wort für Beginnen heißt übrigens ,Hajime‘. Daher sage ich allen, die jetzt vielleicht motiviert wurden, Judo oder eine andere Kampfsportart auszuprobieren: Hajime, los, worauf wartet ihr?“

Lesen Sie auch: Die unterschiedlichen Kampfsportarten im Überblick oder Stärkung der Körpermitte

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