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Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden beim Trainieren des Beckenbodens (Foto: автор/iStockphoto.com)
Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden beim Trainieren des Beckenbodens (Foto: автор/iStockphoto.com)

Stärkung der Körpermitte

Spricht man vom Beckenbodentraining, denken viele an Inkontinenz oder Rückbildung bei einer Schwangerschaft. Weit gefehlt. „Der Beckenboden wird definitiv unterschätzt“, sagt Körpercoach und Haltungsexpertin Elisabeth Kirchmair, die seit vielen Jahren schon nach der ganzheitlichen Methode „CANTIENICA Körper in Evolution“ arbeitet. Bildlich dargestellt: Der Beckenboden ist wie eine (im besten Fall straff gespannte) Hängematte, die alle Organe zusammenhält. Ohne ihn würden sie aus dem Körper purzeln. Außerdem ist der Beckenboden vernetzt mit den tiefen Bauch-, Rumpf-, Bein- und Rückenmuskeln und hat Auswirkungen auf unsere Haltung bis hinauf zum Nacken und Gaumen. Im Laufe des Lebens wird er aber durch eine falsche Haltung oder Atmung inkorrekt belastet bzw. verkümmert die Muskulatur ebenso wie andere Muskeln des Körpers, wenn sie nicht trainiert werden.

Ideale Prävention

„Die meisten beginnen allerdings erst dann mit einem Training, wenn bereits ein Leiden vorliegt, wie z. B. Inkontinenz, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, ein Bandscheibenvorfall, diverse Gelenksbeschwerden oder eine Senkung der Gebärmutter im Zuge einer Schwangerschaft“, sagt Elisabeth Kirchmair und ergänzt: „Dabei ist Beckenbodentraining präventiv sehr wirksam und kann genau solche Leiden im Alter verhindern.“ Aber auch Rückenbeschwerden, die vom zu vielen Sitzen (vor allem in einer falschen Position) entstehen, kann Beckenbodentraining entgegenwirken.

Unterschätzter Muskel

„Da viele Betroffene verlernt haben, ihre Beckenbodenmuskulatur aktiv anzuspannen, müssen die meisten zunächst wieder lernen, ihren Beckenboden überhaupt erst wahrzunehmen, um dann später ein Kraft-, Ausdauer- und Haltetraining sinnvoll und korrekt durchführen zu können“, sagt Prof. Dr. Daniela Schultz-Lampel, Direktorin des Kontinenzzentrum Südwest des Schwarzwald-Barr Klinikums. Sie empfiehlt, zumindest am Anfang das Training mit einem Profi unter Anleitung durchzuführen. Danach können diverse Übung auch allein daheim gemacht werden.

Beide Expertinnen raten zudem, schon in jüngeren Jahren mit einem regelmäßigen Beckenbodentraining zu beginnen – und sei es nur für fünf Minuten alle zwei Tage. Immerhin kräftigt eine starke Mitte die Körperhaltung, den Rücken und beeinflusst die Sexualität positiv – bei Männern wie bei Frauen. Denn die besten Bauchmuskeln nützen nichts, wenn der Beckenboden geschwächt ist. Verliert man bereits regelmäßig Harn beim Lachen oder Husten oder liegen weitaus größere Beschwerden in diesem Bereich vor, kann man mit einem gezielten Beckenbodentraining noch immer gegensteuern. „Viele meiner Kursteilnehmer erzählten mir, dass sie eine anstehende Operation durch regelmäßige Übungen verhindern konnten“, sagt Dr. Schultz-Lampel. Körpercoach Kirchmair ergänzt: „Das erfordert allerdings ein tägliches Training.“

Verschiedene Zugänge

Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden beim Trainieren des Beckenbodens. Der große Unterschied liegt darin, dass es ganzheitliche Ansätze gibt oder eben nur Übungen, die sich auf das Becken konzentrieren. Welche Methode man bevorzugt ist Geschmackssache. Kirchmair, die sich stets für einen ganzheitlichen Ansatz einsetzt: „Das Beckenbodentraining nach CANTIENICA beginnt immer mit einer Haltungsveränderung im Alltag (beim Sitzen, Stehen, Liegen) und wird dann durch ein zusätzliches Training ergänzt. Wobei zur Vorbeugung einmal die Woche reicht. Bei Beschwerden empfehle ich täglich ein Training von etwa 15 Minuten“.

Unterschied Mann und Frau

Männer haben ein schmäleres und kompakteres Becken. Die Muskeln verlaufen bis auf die äußerste Schicht gleich. Auffallend ist, dass Männer häufiger zu Hämorriden neigen als Frauen, da sie die Gesäßmuskeln viel zu oft anspannen und beim Klogang meist zu viel Druck ausüben. Ansonsten helfen die gleichen Übungen, um den Beckenboden zu stärken.

Tipp: Richtig sitzen im Alltag

Es ist bekannt, dass wir im Alltag viel zu viel sitzen. Manchmal geht es leider nicht anders. Die richtige Sitz-Position kann hier aber langfristigen Schäden vorbeugen. Dazu nimmt man an der Vorderkante des Sessels Platz, sodass man seine Sitzknochen gut spürt. Die Füße sind hüftgelenksschmal im zarten V ausgerichtet. Nun das Becken dazu aus- und aufrichten, bis sich gedanklich vom Damm bis zum höchsten Punkt des Kopfes (Kronenpunkt) ein vertikales Lot durch den Rumpf bildet und das Rückenmark frei fließt. Die Lippen sind leicht geöffnet.

Nun mit dem Atem die Länge zwischen Sitzknochen und Kronenpunkt ausdehnen, indem man in der Vorstellung zum Damm einatmet. Den Atem als Längsinformation Richtung Kronenpunkt mitnehmen und mit dem dortigen Ausatmen wachsen/größer werden. Zwei bis drei Atemzüge machen und spüren, wie man sich wie ein Gummiband aufspannt. Danach einfach nur zum Sitzen zurückkehren – beim Film schauen, vor dem Computer arbeiten etc.

In dieser Sitz-Position versucht man dann so lange wie möglich zu bleiben. Das kann anfangs anstrengend sein. Macht man das aber immer wieder einmal, werden entsprechende Muskeln aufgebaut und der Körper gewöhnt sich an die richtige Sitzhaltung. Die Vorteile: Der Beckenboden wird entlastet und bekommt mehr Raum, die Organe haben mehr Platz, und alles wird nicht ständig zusammengedrückt. Außerdem bekommt die Wirbelsäule mehr Länge, die Bandscheiben haben mehr Luft. Am Ende ist man auch weniger verspannt vom ständigen Sitzen.

Buchtipp

Starker Beckenboden von Heike Höfler, riva Verlag 2021, € 15,50

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