„Emotionales Erleben beeinflusst die Gesundheit“

KNEIPP: Wie können wir unsere Gesundheit durch Resilienz beeinflussen?

Tamara Reicher: Gemäß dem aktuellen Verständnis wird Gesundheit dadurch (wieder)hergestellt und aufrechterhalten, indem die Schutzfaktoren die Risikofaktoren überwiegen. Schutzfaktoren können Mittel, Fähigkeiten und Eigenschaften sein, also „Ressourcen“, die das mentale Immunsystem, die Resilienz, stärken und die Widerstandskraft gegen Stress erhöhen. Demgegenüber stehen die Risikofaktoren, die das Entstehen von Erkrankungen fördern und einen resilienten Umgang mit Stress verhindern.

Depression ist eine weit verbreitete psychische Krankheit. Kann hier Resilienz vorbeugend wirken?

Die Fähigkeit zur aktiven Bewältigung von Belastungen, Herausforderungen, Stress oder gar Traumatisierungen reduziert das davon ausgehende Stresserleben erheblich und fördert die psychische Gesundheit ungemein. Resilienz kann somit vor psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angsterkrankungen und Posttraumatischen Belastungsstörungen tatsächlich schützen.

Beeinflusst Resilienz auch Herz-Kreislauf-Patienten?

Redewendungen wie „Sich etwas zu Herzen nehmen“, „Es bricht mir das Herz“ oder „Mir fällt ein Stein vom Herzen“ bringen zum Ausdruck, dass das emotionale Erleben die Herzgesundheit direkt beeinflussen kann. Stress, dem negative Emotionen zugeordnet werden, stellt einen Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Somit sind im Rahmen der Rehabilitation kardialer Erkrankungen neben einem angepassten Bewegungs- und Ernährungsprogramm auch das Erlernen von Strategien zur Stressbewältigung sowie Entspannungstechniken und die Förderung der Resilienz gegenüber psychosozialen Stressoren essenziell.

Wie lässt sich das Herz langfristig schützen?

Ein eindrückliches Beispiel für den psychokardiologischen Zusammenhang ist die Tako-Tsubo- Kardiomyopathie oder das „Broken-Heart-Syndrom“, das durch eine zumeist negative psychosoziale Stressbelastung hervorgerufen wird. Die Betroffenen leiden oft unter herzinfarktähnlichen Symptomen, wobei sich im Gegensatz zum Herzinfarkt offene Herzkranzgefäße nachweisen lassen. Die Auseinandersetzung mit den auslösenden psychosozialen Belastungen und deren Verarbeitung sowie ein resilienter Umgang mit den Stressoren sind neben der medizinischen Behandlung eines Tako-Tsubo entscheidend, um die Herzgesundheit zu schützen.

Gibt es so etwas wie ein „Resilienztraining“?

Die Botschaft lautet: Resilienz ist lehr- und erlernbar. Ein Resilienztraining kann dabei unterstützen, die innere Widerstandskraft auszubauen. Im Rehabilitationszentrum Bad Tatzmannsdorf der Pensionsversicherungsanstalt wurde von mir mit der „Tako-Tsubo-Kardiomyopathie“ ein psychologi- sches Therapieangebot entwickelt und etabliert. Das zweiteilige Resilienztraining forciert die Stärkung der positiven Emotionen und fördert soziale Beziehungen mit dem Ziel, das psychische Wohlbefinden zu erhöhen und die Resilienz der Patienten gegenüber Stressoren positiv zu beeinflussen. In diesem vorwiegend praxisorientierten Seminar stehen lösungs- und zukunftsorientierte psychologische Strategien
im Zentrum, die vorrangig positive Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen aktivieren und fördern. So wird letztendlich die Selbstwirksamkeit der Patienten in Bezug auf deren psychisches Wohlbefinden und Resilienz nachhaltig erhöht.

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