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Der Fornigletscher ist einer der größten Gletscher in Italien (Aufnahme von Oktober 2017, Foto: Credit: Tyrolia Verlag)
Der Fornigletscher ist einer der größten Gletscher in Italien (Aufnahme von Oktober 2017, Foto: Credit: Tyrolia Verlag)

Vom Gletscher zur Schmelze

Gleißend weiße Gipfel nahe den Gestirnen und den Göttern – Gletscher üben eine Faszination auf uns Menschen aus. An diesen veränderlichsten Bausteinen der festen Erdoberfläche wird der stete Wandel unserer Umwelt anschaulich, von dem antike Philosophen wie Heraklit (ca. 520-460 v. Chr.) und frühe Geographen Alexander von Humboldt (1769-1859) schrieben. Wer des Abends unter dem Licht der Sterne auf Gletschern verweilen darf, fühlt sich tatsächlich der Ewigkeit nahe. Die Ewigkeit und Unendlichkeit der Eisfelder sind heute nicht nur veränderlich, sondern auch sehr endlich geworden. Das ewige Eis wurde messbar und die Gletscher weltweit währen nicht mehr ewig – vor allem durch das Klima. 

„Wo der Gletscher aufragt, hört das Land auf, irdisch zu sein, und die Erde hat Anteil am Himmel, dort wohnen keine Sorgen mehr, und deshalb ist die Freude nicht nötig, dort herrscht allein die Schönheit, über jede Forderung erhaben.“ 

Halldór Laxness, Autor aus Island, 1955

Von der Pasterze zum Vatnajökull

Europas Gletscher befinden sich hauptsächlich in den Alpen, in Skandinavien und Island. In den Pyrenäen gibt es noch wenige Gletscher. Die meisten von ihnen sind aber in den letzten 100 Jahren geschmolzen. Der Vatnajökull in Island ist der größte Gletscher Europas. Seine Fläche beträgt über 8000 Quadratkilometer und ist damit fast so groß wie die Insel Zypern. Vatnajökull bedeckt etwa acht Prozent von Island und die Mächtigkeit der Eisschicht beträgt bis zu 1000 Meter. Die Gletscher Islands sind generell sehr groß, sodass diese auch vom Weltall aus zu sehen sind.

Wie viele Gletscher es weltweit gibt, ist laut Experten schwer zu sagen und kann nicht genau gezählt werden. Aber man geht von aktuell ungefähr 200.000 Gletschern aus. Laut dem Buch „Alpengletscher. Eine Hommage.“ (siehe Buchtipp) befinden sich in den Alpen derzeit um die 4400 Gletscher, die eine Fläche von 1806 Quadratkilometern bedecken. Das ist etwas weniger als die Fläche Osttirols und etwas mehr als die Fläche Roms. Die Gletscher der Alpen sind gegenüber den Eisschilden der Antarktis und Grönlands sehr klein. Die Pasterze ist mit etwa acht Kilometern Länge der größte Gletscher der Alpen. Sie befindet sich am Fuße des Großglockners  im obersten Talboden des Mölltales (Pasterzenboden) und ist das Quellgebiet der Möll. Seit 1856 hat ihre Fläche von damals über 30 Quadratkilometer um beinahe die Hälfte abgenommen. 

„Das schlimmste aller Zeiten“

Fragt man sich, wie es Europas Gletschern geht, kennt sie die Antwort: Marion Greilinger. Sie ist die Leiterin der Kompetenzeinheit Klimamonitoring und der Kryosphäre an der GeoSphere Austria (der staatliche Wetter- und Erdbebendienst, vormals Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) vereint mit dem geologischen Dienst, die Geologische Bundesanstalt (GBA)). Diese Bundesanstalt leistet als nationaler geologischer, geophysikalischer, klimatologischer und meteorologischer Dienst einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der gesamtstaatlichen Resilienz und Krisenfestigkeit. „Das Bild ist überall dasselbe. Die Gletscher schmelzen“, sagt Greilinger. „Das Jahr 2022 war dabei das schlimmste unserer Messreihen.“ Das bestätigt auch der jährliche Gletscherbericht des Alpenvereins Österreich. Darin heißt es: „Noch nie in der bis 1891 zurückreichenden Geschichte des Alpenvereins-Gletschermessdienstes gab es einen größeren Gletscherschwund: Im Mittel sind die 89 vom Alpenverein beobachteten österreichischen Gletscher um 28,7 Meter kürzer geworden. Dieser enorme Anstieg des mittleren Rückzugs im Vergleich zum Vorjahr (11 Meter) bedeutet Alarmstufe Rot (!): Der Gletscherrückgang setzt sich rasant fort. Die größte Längenänderung wurde von den ehrenamtlichen Alpenvereins-Gletschermessern erneut in der Venedigergruppe gemessen, wo sich das Schlatenkees (Tirol) um 89,5 Meter (Vorjahr: 54,5 Meter) Länge zurückzog. Die Pasterze (Kärnten) verlor allein im Bereich der Gletscherzunge ein Volumen von 14,7 Mio. m³ Eis, das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 245 m, also ungefähr der Höhe des Donauturms in Wien.“

Das hatte vor allem drei Ursachen, weiß Greilinger: „Einerseits fiel im Winter und Frühling relativ wenig Schnee. Dann war es im Sommer überdurchschnittlich warm und trocken, und wenn Niederschlag fiel, dann in Form von Regen (Anmerkung: Gletscher liegen so hoch, dass oftmals kein Regen, sondern Schnee fällt). Hinzu kam ein intensiver Saharastaubfall im März 2022, sodass sich der Saharastaub auch auf den Gletschern ablagerte. Durch die dunkle Färbung des Sandes in Kombination mit der Sonneneinstrahlung wurde das Abschmelzen des Schnees zusätzlich forciert.“

Marion Greilinger, Leiterin der Kompetenzeinheit Klimamonitoring und der Kryosphäre an der GeoSphere Austria (Foto: privat)

Wie das Klima die Gletscher beeinflusst

Gletscher sind bewegte Massen von Eis, entstanden aus Schnee. Es gibt sie an Stellen, an denen der im Winter gefallene Schnee im Sommer nicht komplett abschmilzt, sondern dieser durch Schmelz- und Gefrierzyklen und der dabei erfolgten Verdichtung zu Firn und nach einigen Jahrzehnten zu Eis umgewandelt wird. Das Eis ist verformbar und fließt unter dem Einfluss der Schwerkraft talwärts. Wie weit der Gletscher ins Tal reicht, hängt vom Gelände und vom Klima ab. Ändert sich das Klima, ändert sich auch der Gletscher. Gebirgsgletscher reagieren empfindlich auf die Änderungen im Klimasystem: Mehr Schmelze (Ablation) in Folge höherer Lufttemperatur und stärkerer Sonnenstrahlung bewirkt einen Verlust an Gletschermasse, mehr Ablagerung von Schnee (Akkumulation) in Folge niedrigerer Lufttemperatur und erhöhten Niederschlags begünstigt einen Gletschervorstoß. Gletscher interagieren mit dem Klimasystem in Form von Rückkopplungen: Schnee an der Gletscheroberfläche reflektiert bis zu 90 Prozent der einkommenden Sonnenstrahlung in die Atmosphäre, schneefreies Gletschereis hingegen nur 20 bis 40 Prozent. Flächen-, Volumen- und Längenänderungen von Gletschern eignen sich übrigens nicht als Klimafrühwarnsystem, da sie in ihrer Reaktion dem Klima nachhinken. Die spezifische Massenbilanz hingegen stellt die direkte, unverzögerte Reaktion der Eismassen auf den klimatischen Energieeintrag bezogen auf die Einheitsfläche dar. Langjährige Messreihen der Massenbilanz eignen sich hervorragend, um auf die Witterung eines Jahres bzw. das Klima mehrerer Jahre und Dekaden rückschließen zu können. 

Wenn im hydrologischen Jahr, also zwischen 1. Oktober und 30. September mehr Eis schmilzt als Winterschnee den Sommer überdauert, spricht man von einer negativen Massenbilanz, der Gletscher befindet sich somit im Rückzug. Das macht sich über mehrere Jahre in einem Verlust an Länge und Fläche sowie Eisvolumen bemerkbar. 

Einer kürzlich veröffentlichten Studie des Magazins „Science“ nach werden bis ins Jahr 2100 die Hälfte aller Gletscher weltweit verschwunden sein. In Deutschland wird es laut Experten bereits schon im Jahr 2050 keine Gletscher mehr geben. „In Österreich werden im Jahr 2100 bis zu 80 Prozent geschmolzen sein“, sagt Greilinger. Denn Gletscher reagieren sehr zeitverzögert. „Das Abschmelzen, das wir jetzt beobachten, sind die Auswirkungen des Klimas von vor 20-30 Jahren.“ Fauna und Flora werden sich genauso ändern wie das Landschaftsbild. Das Trinkwasser wird für viele Einwohner in Teilen Asiens und Südamerika knapp, da viele Völker am Süßwasserspeicher eines Gletschers gebunden sind. Besonders kritisch ist das Abschmelzen der Arktis und der Antarktis. „Durch das Abschmelzen der Eisschilde verringert sich die Fläche, wo das Sonnenlicht zurückreflektiert werden kann. Dadurch gelangt mehr Wärme in die Meere und in den Erdboden. Das ist also ein direkter Klimatreiber. Man kann das Schmelzen der Gletscher nicht mehr stoppen, dennoch sollten wir die menschgemachte Klimaerwärmung nicht noch schlimmer machen und das Klima schonen und beispielsweise unser Konsumverhalten überdenken, sagt Greilinger. 

Eisentstehung & Zeitzeuge

Gletschereis entsteht, indem Schnee, der nur eine Dichte von 100 bis 200 Kilogramm pro Kubikmeter hat, so weit komprimiert wird, bis er eine Dichte von 917 Kilogramm pro Kubikmetern erreicht. Das Eis ist undurchlässig für Luft und Wasser. Während des Sommers lagern sich Staub und Pollen in den Firnflächen auf der Gletscheroberfläche ab, die Oberfläche wird dunkel. So bildet sich ein schichtförmiger Aufbau aus weißen Winterschneeschichten und dunklen Sommerhorizonten, ähnlich den Jahrringen von Baumstämmen. Das aus Schnee entstandene Gletschereis ist reich an Luftblasen und hat daher eine weißliche Farbe. Es gibt aber auch sehr klares Gletschereis, das entsteht, wenn Schmelzwasser im Frühjahr in die Schneedecke einsickert und dort wieder gefriert. Im Eis sind aber nicht nur Staub und Pollen abgelagert, sondern auch alle anderen Stoffe, die mit dem Wind transportiert werden. Im Sommer sinkt die Luft über den kalten Gletscherflächen ab, die somit viele herangetragene Stoffe sammeln. Ein anderer Weg der Ablagerung ist der Niederschlag, der die kleinen Teilchen in der Luft „auswäscht“ und ebenfalls am Gletscher ablagert. So gelangt mit dem Schnee auch das in der Luft vorhandene Mikroplastik auf Firn und Eis. Die Gletscher sind daher nicht nur Archive des Klimas, sondern auch aller möglichen menschlichen Aktivitäten. So sind im Eis die Anfänge des Bergbaus und der fossilen Energienutzung in den Blei- und Schwefelkonzentrationen abgebildet, das Tritium aus Atombombenversuchen und andere radioaktive Isotope aus der Atomindustrie gespeichert, und auch der Beginn des Bergsteigens kann durch Stoffwechselprodukte von Bergsteigern nachgewiesen werden. 

Buchtipp

Alpengletscher. Eine Hommage. Von Andrea Fischer (Texte) und Bernd Ritschel (Texte und Fotos), erschienen im Tyrolia Verlag 2020, um 45,95 Euro.

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