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Wenn wir etwas schmecken, ist nicht nur unsere Zunge beteiligt, sondern auch unser Geruchssinn, in unserer Nase sitzen 20 Millionen Riechzellen (Foto: Foxys_forest_manufacture/iStockphoto.com)
Wenn wir etwas schmecken, ist nicht nur unsere Zunge beteiligt, sondern auch unser Geruchssinn, in unserer Nase sitzen 20 Millionen Riechzellen (Foto: Foxys_forest_manufacture/iStockphoto.com)

Alles reine Geschmacksache…

Schon die vielen Redewendungen, die Geschmack und Geruch gebrauchen, zeigen, wie sehr wir von den oft unbewusst wahrgenommenen Reizen beeinflusst werden: „eine bittere Miene“, „das stößt einem sauer auf“, „süßes Nichtstun“, „eine Geschmacklosigkeit“, „ein pikanter Scherz“, „eine gepfefferte Rüge“. Der Geschmack von Lebensmitteln ist für uns eng mit Gefühlen verbunden. Wie auch der Geruchsinn, der vom Geschmack kaum zu trennen ist. Beide Sinne sind an das unwillkürliche Nervensystem gekoppelt, das bei Geschmack oder Gerüchen, die als schlecht empfunden werden, Erbrechen und Übelkeit hervorruft. Angenehme, als appetitlich eingeordnete Düfte regen hingegen die Bildung von Speichel und Magensäften an. Beides kann in uns Bilder hervorrufen, Erinnerungen an die Schulzeit, an das Sonntagsessen bei der Großmutter. Und böse Erinnerungen können sogar nach zig Jahren nervös machen, wie etwa der Geruch von chinesischem Essen, der viele US-Kriegsveteranen, die im Südpazifik gekämpft hatten, für immer verstört hat.

Geschmack ist ein wichtiger Teil unserer Evolutionsgeschichte. Mit ihm gelang es uns, Nahrung zu kontrollieren: Bitter oder sauer bedeuteten einst „Achtung, giftig!“, ungenießbar, verdorben; süß bzw. salzig hingegen ist oft ein Hinweis auf nährstoffreiche Lebensmittel. Ebenso wohlwollend verbindet man „würzig“, eine fünfte Geschmacksrichtung (auch Umami genannt, 1910 von einem Japaner so bezeichnet, der dafür auch die eigenständigen Sinneszellen fand), mit eiweißreicher Kost – in der Menschheitsgeschichte ein Booster für die Gehirnentwicklung.

Untrennbar verbunden

Wenn wir etwas schmecken, dann ist also nicht nur die Zunge beteiligt, es ist ein ganzes Paket von Sinneseindrücken. Und nicht nur der Geruch (in unserer Nase sitzen 20 Millionen Riechzellen), auch die Beschaffenheit und die Temperatur spielen dabei eine Rolle. Der Duft vervollständigt jedenfalls das Aroma einer Speise. Ohne Geruch kein Geschmack – wie jeder Verschnupfte bestätigen kann. So hält man sich die Nase zu, wenn man etwas Ungeliebtes essen soll, im übertragenen Sinn rümpft man die Nase.

Die Forschung über den Geschmacksinn präsentiert immer wieder Überraschungen, vermutet weitere Sinneszellen, die uns etwas schmecken lassen. Fettig wurde bisher nicht als Geschmack definiert, man dachte, dass die Vorliebe für fetthaltige Speisen allein von deren Geruch und Konsistenz herrührt. Nach neuerer Erkenntnis gibt es vermutlich doch eigene Rezeptoren, die auf Fett reagieren. Auch für die Linolsäure, die z. B. in Sonnenblumen-, Soja- oder Maiskeim-Öl zu finden ist, hat man einen bestimmten Rezeptor entdeckt. Weiters sucht man nach Sinneszellen, die speziell auf alkalisch (salzartig), metallisch und wasserartig reagieren.

Hui oder pfui

Dass einem vor Speisen graust, die anderswo als Delikatesse gelten, lässt sich auch mit vernünftigen Überlegungen kaum ändern. Oft ist es gar nicht so sehr der Geschmack oder Geruch, der einen abstößt, sondern das Wissen, wo was herkommt, was es ist. Wer in unseren Breiten Balut auf den Tisch stellt, eine Spezialität der Phillipinen, wird wohl keine Begeisterung ernten: Es sind gekochte Hühnerembrios, in der Eischale serviert. Auch für das Verspeisen von Seidenwürmer-Puppen, allen möglichen Insekten, Schlangen, fermentierten Eiern (1000-jährige Eier) aus China oder verfaultem Fisch aus Island (Hákarl), von Würmern und Maden, Eselspenis (China), Quallen und Heuschrecken, Schlangenblut (Vietnam) oder Thunfischaugen braucht man bei uns eine beachtliche Überwindung. Wir hingegen verzehren sehr wohl Stierhoden (Spanien), essen Madenkäse (Casu Marzu aus Italien), Hirn und Blutwurst, gefüllte Schweinefüße, Austern und Beef Tartare, was anderen Völkern höchst eigenartig vorkommt. Wie auch Käse, der in China als vergammelte Milch empfunden wird – oder wurde, denn langsam übernimmt man den westlichen Geschmack.

Es ist angerichtet

Das alles sind Äußerlichkeiten, die uns eine Einladung verderben oder einen Urlaub „versalzen“ können. Was Speisen alles anrichten, wie sehr Essen auch unsere Psyche beeinflusst, wird jedenfalls immer klarer, seit die Forschung dem Darm mehr Aufmerksamkeit schenkt. Man weiß nun, dass dieser mit unserem Gehirn kommuniziert: über elektrische Signale, die mit dem Darmnervensystem in Interaktion treten und sie weiter an das Gehirn senden. Er bildet Hormone, die im Hirn bestimmte Reaktionen auslösen, wie das „Glückshormon“ Serotonin, das zu 95 Prozent im Darm entsteht. Und auch die Darmbakterien – ein Mikrobiom, das je nach Ernährung und Umwelt von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist – beeinflussen unsere Stimmung.

Den Beweis für Einfluss der Ernährung auf die Psyche lieferte bereits vor 20 Jahren ein Test mit Häftlingen: Eine Gruppe von Insassen des Aylesbury-Gefängnisses nahe London wurde zusätzlich mit Vitaminen, Mineralstoffen und Fettsäuren versorgt. In den folgenden viereinhalb Monaten waren diese Gefangene im Durchschnitt um 37 Prozent seltener in Zwischenfälle (darunter auch Gewaltakte gegen Mitinsassen) verwickelt als Gefangene mit Standardverpflegung. Als das Experiment in weiteren Haftanstalten in Großbritannien und den Niederlanden wiederholt wurde, zeigte sich das gleiche Muster noch viel deutlicher: Ernährten sich Insassen gesünder, waren sie weniger aggressiv, die Zahl der Vorfälle reduzierte sich um 26 bis fast 70 Prozent.

Was wir essen, beeinflusst wie wir uns fühlen. Schon der Anblick unserer Leibspeise schafft es,
uns merklich zu entspannen (Foto: swkunst/istockphoto.com)

Essbare Stimmungen

Ernährungsbedingte Eigenschaften entwickeln sich schon im Mutterbauch. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft fast auschließlich fettiges, zuckriges Junkfood gegessen haben, starken Stimmungsschwankungen unterliegen: Sie sind oft zornig, dann wieder ängstlich und traurig. Auch später als Erwachsene sind Menschen, die sich vorwiegend mit Kohlenhydraten ernähren, eher „sensibel“, also zwar mitfühlend, aber auch schnell beleidigt, misstrauisch, depressiv. Wer sich vermehrt mit Proteinen ernährt, also viel Eiweiß zu sich nimmt, wie in Fleisch, Fisch und manchen Gemüsesorten, in Getreide, Hülsenfrüchten und Nüssen, auch Milchprodukten und in Käse (aufgrund des Caseins) zu finden, scheint sich toleranter, ausgeglichener zu verhalten. Wichtig ist jedoch (immer!) ein ausgeglichener Speiseplan: Von Ernährungsprofis wird hier auf die „Mittelmeer-Kost“ (frisches Obst, Gemüse, gesunde Fette und reichlich Fisch) hingewiesen.

Zunehmend bestätigt sich jedenfalls: Was wir essen, beeinflusst, wie wir uns fühlen. Manche Effekte verfliegen nach ein paar Minuten oder Stunden. Schon der Anblick und Geruch unserer Leibspeise schafft es, uns merklich zu entspannen. Andere Ernährungsgewohnheiten bestimmen über Wochen, Monate, ja vermutlich sogar Jahre, wie niedergeschlagen oder zuversichtlich wir die Welt sehen oder wie wir mit Stress und Problemen umgehen.

Anregend oder beruhigend?

Bei manchen Lebensmitteln ist die Wirkung derart ausgeprägt, dass Menschen seit Jahrhunderten danach greifen, um ihre Gemütslage zu manipulieren. Die belebende Wirkung von Kaffee beispielsweise beruht darauf, dass das darin enthaltene Coffein Nervenzellen im Gehirn hindert, jene Botenstoffe zu erkennen, die eigentlich müde machen: Es fällt uns leichter, wach zu bleiben. Dass der Genuss von Schokolade manchen Menschen dabei hilft, die Welt gelassener zu sehen, war auch schon bekannt, lange bevor Lebensmittelchemiker die mögliche Ursache entschlüsselt haben: Kakaobohnen enthalten zahlreiche psychoaktive Substanzen, z. B. Anandamide. Diese Stoffe lagern sich an die gleichen Stationen im Gehirn an wie die berauschenden Bestandteile von Marihuana. Zwar rufen die Anandamide keine Halluzinationen hervor wie Cannabis, dennoch reichen vielen Menschen einige Bissen aus, damit sich eine wohltuende Entspannung einstellt.

Nicht alle Speisen wirken gleich schnell oder lang. Ein fettreiches Menü macht uns länger müde und träge. Eine Tüte Gummibärchen bringt bereits nach 15 bis 30 Minuten einen Energieschub, die Stimmung hebt sich, die Konzentrationsfähigkeit steigt, bis das Hoch nach ein bis zwei Stunden nachlässt und die Stimmung rapide sinkt. Ein vorübergehendes Hoch verschaffen uns auch scharfe Speisen, der biochemische Mechanismus dabei ist jedoch ein ganz anderer: Beißen wir in eine Chilischote, reizt der darin enthaltene Wirkstoff Capsaicin die Zunge, es schmerzt fast so, als hätten wir uns verbrannt. Um die Qual erträglicher zu machen, schüttet das Hirn nun Stoffe zur Linderung aus: Diese Endorphine sind dem Betäubungsmittel Morphin ähnlich – sie dämpfen einerseits den Schmerz, andererseits versetzen sie uns in leichte Euphorie.

Auch die Lust geht durch den Magen

Dass Liebe durch den Magen geht, dass gutes Essen zumindest liebevolle Zuwendung der Hausfrau oder des Hausmannes zeigt, ist unbestritten. Anders sieht es mit der Luststeigerung aus, auch wenn sie seit Jahrtausenden allen möglichen Speisen zugeschrieben wird. Aphrodite, die Namensgeberin für „Aphrodisiakum“, hat angeblich vor jedem Gastmahl die Tische mit frischer Minze eingerieben. Ob erfolgreich oder nicht, ist nicht überliefert. „Muskatnuss im Wein und du bist mein“ heißt es vielversprechend. Vor allem Ginseng, aber auch Ananas, Chili, Brennesseln und allen möglichen Rüben und Spargel (man schloss vom Aussehen auf die Wirkung), Austern, Avocados, Kürbiskernen, Ginkgo, Granatapfel und Erdbeeren wurde und wird Luststeigerung zugeschrieben.

In asiatischen Ländern sind Nashörner für ihr „Liebes“-Horn begehrt und werden so fast ausgerottet. Ebenso glaubt man an Reh- und Tigerpenisse, getrocknete Seepferdchen, Schlangenschnaps und zermahlene Hirschgeweihe – die Liste der angeblichen Luststeigerer ist lang. „Weltweit gibt es sicher mehr als hundert Gewächse, denen eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt wird“, so ein Experte für Klostermedizin. Der wissenschaftliche Beweis sei jedenfalls bislang nirgends erbracht. Aber der Glaube kann ja bekanntlich nicht nur Berge versetzen.

Der alte Spruch: „Du bist, was Du isst“ wird also heute auch von Psychologen wissenschaftlich bestätigt. Eine Erkenntnis, die uns allen das Leben ein wenig leichter – und glücklicher – machen kann.

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