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"Grundsätzlich bereiten die Leute den Hund nicht vor, dass er mal nicht dran ist (Foto: Klaus Grittner)."

„Die Leute haben eine menschliche Erwartungshaltung an den Hund“ 

Kneipp: Welche Vorstellungen haben Menschen, die sich einen Hund nehmen wollen, und wie weichen diese dann im tatsächlichen Zusammenleben ab? 
Martin Rütter: Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass sich die Menschen bei der Anschaffung des ersten Hundes das Zusammenleben zu einfach vorstellen. Man hat immer im Kopf: Man geht im Wald spazieren, der Hund hört auf mich und mag mich automatisch, weil ich ihn gekauft habe. Es wird unterschätzt, wie viel Aufwand es ist, einen Hund zu halten. Wie viel man wirklich rausgehen muss, wie viel Beschäftigung er braucht, wie viel Training, Pflege und Zuwendung. Aber die Leute beißen sich da durch und dann ist es ja schön. Ich kenne wirklich wenig Menschen, die einen Hund gekauft haben und dann sagen: Oh Gott, das will ich nie wieder haben.  

Dennoch landen so viele Hunde im Tierheim.
Ja, das sind dann die Menschen, die keine Sekunde darüber nachgedacht haben. Die kaufen vielleicht auch noch bei unseriösen Tieranzeigen. Genau das haben wir in der Coronazeit erlebt und die Tierheime sind jetzt voll bis unters Dach.  

Welche sind die häufigsten Erziehungsfehler? 
Ich glaube, der größte Fehler ist zunächst, sich den falschen Hund gekauft zu haben. Viele informieren sich nicht im Vorfeld, was passt eigentlich zu mir. Mein Team und ich haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz etwa 300 Hundetrainer. Zusammen machen wir etwa 100.000 Trainingseinheiten im Jahr. Alle meine Trainer bieten Beratung vor dem Hundekauf an. Nur als Beispiel von den 100.000 Trainingseinheiten jährlich waren nur 12 Stunden Beratung vor dem Hundekauf. Das heißt, Menschen nehmen das nicht in Anspruch. Dann kaufen sich die Leute einen Jack Russel Terrier und wundern sich, warum der Hund so eine Dynamik hat. Also bei der Auswahl des Hundes fangen schon große Fehler an und dann geht’s weiter mit unfassbarer Vermenschlichung. Das heißt, die Leute haben eine menschliche Erwartungshaltung an den Hund. Also ich liebe dich und somit musst du mich auch lieben. Ich bin für dich da, also musst du auch für mich da sein. Das heißt alles nur menschlich zu interpretieren und der der dritte Punkt ist die mangelnde Konsequenz. Damit ist nicht Härte oder Strengsein gemeint. Es geht um klare Spielregeln und diese dann konsequent durchführen und nicht am Montag so, am Dienstag anders und am Mittwoch vielleicht. Man muss sich gut überlegen, welche Spielregeln möchte ich und diese konsequent einhalten.  

Dazu muss man aber auch wissen, welche Spielregeln man will und wie man sie durchsetzt. 
Das ist der Grund, warum ich empfehle, sich von Anfang an von einem Profi begleiten zu lassen. Hundeschule wird oft missverstanden als: Da gehe ich hin, wenn ich Probleme habe. Aber Hundeschule bedeutet ja nicht nur Sitz und Platz. Da geht es auch darum, den Hund lesen zu lernen. Und das macht ja einen Riesenspaß. 

Was ist schlecht daran, wenn der Hund vermenschlicht wird? 
Wenn wir unter Vermenschlichung verstehen, dass ein Tier genauso wertvoll ist, wie ein Mensch, dann bin ich sofort dabei. Wir dürfen aber nicht vermenschlichen im Sinne von: Ich erwarte, dass der Hund sich wie ein Mensch verhält. Das wird nie passieren. Es ist auch nicht schlimm, wenn du den Hund für ein Foto eine Nikolausmütze aufsetzt. Wenn du aber den Hund für acht Stunden in ein Dirndl für das Oktoberfest zwingst und dann noch glaubst, er findet das gut, dann bist du auf dem Holzweg.  

Martin Rütter und seine Hundedame (Foto: Alex Stiebritz)

Sind nicht auch fehlende Frustrationstoleranz und Impulskontrolle ein häufiges Problem? 
Grundsätzlich bereiten die Leute den Hund nicht vor, dass er mal nicht dran ist. Das heißt, er kriegt in den eigenen vier Wänden für alles Aufmerksamkeit. Er guckt dich an, stupst dich an, bringt den Ball und schon wirft man ihn. Der lernt also Zuhause rund um die Uhr: Da kann ich entscheiden. Und da geht es nicht um Dominanz, sondern um: Ach guck, ich kann die Leute manipulieren und dann gehen die Leute in ein Café und wollen, dass der Hund ruhig daliegt. Das passt ja nicht zueinander. Das heißt, einer der wichtigsten Dinge, die wir trainieren, ist Langeweile auszuhalten. Wenn ich zu jemanden nach Hause gerufen werde, treffe ich auf Hunde, die erstens nicht genug beschäftigt sind. Die gehen dann kaputt vor Langeweile und ein Riesenthema ist, dass der nie gelernt hat, Frust auszuhalten.  

Ein Thema ist auch, dass wir zu viel mit dem Hund reden. Warum ist das schlecht? 
Man muss ein bisschen differenzieren, wann und wie rede ich mit dem Hund. Wenn du einen Hund hast und du liegst mit dem auf der Couch oder im Bett, was ich beides überhaupt nicht schlimm finde, und jetzt erzählst du dem deine Sorgen und deine Alltagsnöte und wie es dir geht. Das kannst du 24 Stunden am Tag machen. Da sprichts nichts dagegen. Die Leute reden aber im Training zu viel. Die wollen, dass der Hund sitzt. Dann sagen die aber: mach doch bitte mal sitz, machst du wohl sitz, ich hab‘ gesagt, mach jetzt endlich sitz. Und der Hund muss dann die Schlüsselwörter erkennen. Deswegen rate ich beim Training zu ganz einfachen banalen Wörtern und im Alltag kannst du den Hund taub quasseln. 

Falls man selbst nicht mehr weiterkommt: Wie erkennt man einen guten Trainer? 
Das ist tatsächlich eine bittere Frage, weil es keine Richtlinien gibt. Und da sage ich: Hör auf deinen Bauch. Das heißt, geh‘ da hin und sieh dir den Trainer an. Jetzt nehme ich die Extremfälle: Da ist ein Kettenhalsband an einem Hund, da wird rumgeschrienen und da wird empfohlen, du musst dich durchsetzen, du musst körperlich werden. Das ist ein Laie, der hat keine Ahnung. Dann kannst du direkt wieder weggehen. Dann kommst du in die andere Fraktion, wo den ganzen Tag nur der Klicker gebraucht wird und ständig nur diskutiert wird. Funktioniert auch nicht. Ich finde, du musst dahingehen, dir das zwei, drei Stunden angucken können. Es darf außerdem keine langen Verträge geben. Und dann musst du dich da wohlfühlen und solltest mit dem Trainer auf einer Wellenlänge sein. Wenn das nicht der Fall ist, wirst du nie umsetzten, was er dir rät.  

Was war das Verrückteste, dass Sie je gesehen haben in der Beziehung zwischen Hund und Mensch? 
Das vielleicht Verrückteste aber für mich auch das Schönste war Folgendes: Urenkel haben zwei Leuten eine Unterrichtsstunde bei mir geschenkt. Das Pärchen, das ich dann besucht habe, da waren beide 91 Jahre alt. Die Tür geht auf und da war ein kleiner Pudel, sehr freundlich, nicht ängstlich, einfach nur nett. Dann sind wir in die Küche, die alten Leute haben einen Kuchen gebacken und auf einmal hopst dieser Hund auf den Stuhl, hopst auf den Tisch und futtert den Kuchen. Irgendwann hat der ältere Herr gesagt: “Ja, ich weiß, dass Sie das komisch finden und das ist auch der Grund, warum meine Enkel Sie gerufen haben. Die sind alle genervt, dass der Hund auf den Tisch springt. Wir finden es aber nicht schlimm.” Dieser Hund war nicht dick, nicht krank, nicht ängstlich, nicht aggressiv. Er hat nur Kuchen geliebt. Deswegen habe ich gesagt: Wie wäre es denn, wenn wir den vom Kuchen wegholen und stellen etwas Gesundes hin. Er kann ja gern auf den Tisch springen, ich habe ihnen aber erklärt, wie schädlich der Zucker ist. Und dann haben mich die Enkel empört angerufen, waren total stinksauer und wollten ihr Geld zurück. Dann habe ich denen erklärt, dass die total glücklich sind mit ihrem Hund. Der Hund war happy und das ältere Pärchen war auch happy. Wer bin ich dann, denen reinzureden. Die Leute müssen glücklich sein mit dem Hund, er darf die Gesellschaft nicht nerven, nicht gefährlich sein, selber nicht leiden und dann ist es für mich perfekt.  

Was würden Sie sich wünschen, was Hundebesitzer viel mehr tun sollten und was sollten sie viel weniger tun? 
Das ist eine schöne Frage. Was sie viel mehr tun sollten, ist in Tierheime zu gehen und was sie weniger machen sollten ist, Hunde bei ebay-Kleinanzeigen zu kaufen. Die Tierheime sind absolut am Limit. Die Menschen, die dort arbeiten, verdienen wenig und leisten viel, aber die Bedingungen für die Hunde sind eine Katastrophe. Deshalb mache ich den Leuten immer Mut und sage: Du wirst im Tierheim, wenn du ein bisschen Zeit hast und nicht sofort morgen einen Hund willst, einen Hund finden, der zu dir passt. Und statistisch gesehen wirst du genauso viele oder wenige Probleme kriegen, als wenn du dir einen Superhund von der Zucht kaufst. Es liegt in unsere Hand. Das Tierheim ist voll von unkomplizierten Hunden. Hört auf den Welpenhandel zu fördern und geht mehr in Tierheime, das ist mein Wunsch.  

Martin Rütters Tierschutzinitiative: https://adoptieren-statt-produzieren.org/

Martin Rütter auf Tour

Martin Rütter auf Tour: Der will nur Spielen (Foto: Guido Engels)

In seiner neuesten Show „Der will nur spielen!“ ist Martin Rütter wieder fachlich fundiert, erbarmungslos ehrlich und natürlich zum Bellen komisch. 

23.1.2024 Villach 

24.1.2024 Salzburg 

25.1.2024 Innsbruck 

26.3.2025 Linz 

27.3.2025 Graz 

28.3.2025 Wien 

Karten unter: https://www.oeticket.com/artist/martin-ruetter/

Gewinnspiel (abgeschlossen)

Kneipp hat an dieser Stelle unter allen Leser*innen für Martin Rütters Shows in Villach, Salzburg und Innsbruck jeweils zwei Karten verlost.

Teilnahmeschluss war der 19.12.2023

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