Zum Inhalt springen
Brennnesseln tragen zwei Sorten von Haaren: die „normalen“ und die Brennhaare (Foto: 24K-Production/iStockphoto.com)
Brennnesseln tragen zwei Sorten von Haaren: die „normalen“ und die Brennhaare (Foto: 24K-Production/iStockphoto.com)

Dauerbrenner Brennnessel

Was haben reine Jungfrauen und alte Gärtner gemeinsam? Beide können die Brennnessel angreifen, ohne sich zu verbrennen. Erstere sind angeblich durch die Mutter Gottes geschützt und letztere durch ihre Schwielen. Alle anderen müssen sich mit einem faulen Trick behelfen: Die Brennhaare sind nach oben und außen ausgerichtet. Wenn sich die Hand in einer Aufwärtsbewegung – also mit dem Strich – nähert, können die Härchen nicht stechen.

Mineralstoffe zum Angreifen

Brennnesseln tragen zwei Sorten von Haaren: die „normalen“ und die Brennhaare. Letztere sind hochspezialisierte Gebilde. Die Basis bildet ein weicher, mit Brennflüssigkeit gefüllter Sockel, der von Blattgewebe eingefasst ist. Oberhalb dieses Sockels ist das Haar durch Calcium-Einlagerung verstärkt, die Haarspitze hingegen besteht aus Kieselsäure. Betrachtet man mit diesem Wissen eine Brennnessel, wird die Menge an Calcium und Kieselsäure, die sie zu bieten hat, quasi mit freiem Auge sichtbar.

• Calcium ist nicht nur das Knochenmineral, sondern auch unerlässlich für Muskeltätigkeit, Blutgerinnung, Herzrhythmus und – als Cofaktor vieler Enzyme – wichtig für einen funktionierenden Stoffwechsel. Zudem ist es an der Bildung von Botenstoffen und an der Hormonsekretion beteiligt. Und das ist noch lange nicht alles.

• Die Kieselsäure, die die Haarspitze bildet, ist reich an Silicium. Dieses zweithäufigste Element des Planeten erfüllt im Körper wichtige Funktionen, wird aber nicht immer ausreichend aus der Nahrung aufgenommen. Davon zeugen im zunehmenden Alter Haarverlust und Graufärbung. Silicium ist an der Koordination des gesamten Mineralstoffhaushalts beteiligt, es verbessert den Wassergehalt der Gewebe und unterstützt das Immunsystem. Die Kieselsäure macht die Haarspitze brüchig wie Glas. Durch eine Verjüngung knapp unterhalb der Spitze bricht das Brennnesselhaar bei Berührung genau hier schräg ab und wird zur superspitzen Injektionskanüle. Sie gleitet mühelos unter die Haut, der weiche Sockel wird gequetscht und die Flüssigkeit effizient injiziert.

Nesselgift und Nesselsucht

Der Stich selbst ist überhaupt nicht spürbar, erst das Nesselgift tut weh. Es kann übrigens auch ohne Injektion unter die Haut gelangen: Wenn die Haare brechen und das Sekret ausfließt, dringt es, wo die Haut dünn ist, nach einiger Zeit durch die Poren ein. So entstehen die Quaddeln etwas später. Beim Mähen können ganze Hautbezirke benetzt werden, es kommt zu großflächigen, schmerzhaften und lang andauernden Schwellungen und Verätzungen der Oberhaut (Urtikaria oder Nesselsucht). Tatsächlich ist die Brennnessel als Giftpflanze gelistet, da sie „Hautverletzungen“ im Sinne entzündlicher Ausschläge hervorruft. Essbar ist sie dennoch: Die Brennhaare werden bei der Zubereitung (Blanchieren reicht) „entschärft“ und können nicht mehr stechen.

• Kneipps Nesselpeitsche. Bemerkenswert ist auch das Pflanzensekret selbst. Es hat Gemeinsamkeiten mit Substanzen, die man aus dem Tierreich kennt – mit den Giften von Bienen, Wespen, Hornissen, Ameisen und Schlangen. Die Haupt-Wirkkomponenten sind Histamin, Acetylcholin, Serotonin und Ameisensäure. Diese Kombination löst Rötung, Erwärmung, Schmerz und Schwellung aus (die vier Elemente einer Entzündung). Eine Entzündung schafft die Voraussetzungen für „Reparaturvorgänge“. Es kommt zur Weitstellung der Blutgefäße, damit zu einer erleichterten Durchblutung und zur Aktivierung der Immunzellen. Abwehrstoffe werden antransportiert und Ablagerungen ausgespült. Stagnationen in Geweben, auch im Bindegewebe („Faszien“), können so aktiviert und mobilisiert werden.

Dieses „Aufrütteln“ lokaler Immunprozesse soll nach Abklingen derselben eine Abschwellung und Schmerzlinderung selbst bei chronischen Gelenksleiden bringen. Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp empfahl daher die tägliche „Nesselpeitsche“, um die durch Gicht, Rheuma oder Arthrose verursachten Gelenksschmerzen zu behandeln. Übrigens ist diese sogenannte Urtication, wie die Nesselpeitsche im Medizinerjargon heißt, gar nicht so schmerzhaft wie man meinen möchte. Nur bei einer ausgeprägten Histaminintoleranz sollte man Brennnesseln grundsätzlich nicht nutzen, weder innerlich noch äußerlich.

Eine tierische Pflanze

Aus anthroposophischer Sicht steht die Brennnessel quasi mit einem Bein im Tierreich, mit ihrem Pelz aus Brenn- und anderen Haaren, dem „tierischen“ Gift und den ungewöhnlich hohen Konzentrationen an Eiweiß und Eisen. Letzteres ist ja eher mit Blut assoziiert als mit Pflanzen. Quasi zum Ausgleich produzieren Brennnesseln große Mengen an Chlorophyll, dem pflanzlichen Hämoglobin-Pendant.

Blattgrün und Blutrot sehen sich zum Verwechseln ähnlich: Beide Moleküle bestehen aus denselben vier stickstoffhaltigen 5-Ringen, im Kreis angeordnet und durch ein zentrales Spurenelement zusammengehalten. Und hier liegt der Unterschied: Beim Hämoglobin steht im Zentrum das Eisen, beim Chlorophyll das Magnesium. Brennnesseln enthalten (bei gutem Wetter und Standort) derart viel Chlorophyll, dass sie weltweit die wichtigste Quelle für das Blattgrün sind. Man färbt damit z. B. die Teigmasse für die brennend scharfen Wasabi-Nüsse.

Magnesium ist ein Gegenspieler von Calcium, beide müssen im Gleichgewicht stehen. Auch Magnesium ist nötig für die Knochenmineralisierung. Bei der Muskelfunktion sorgt es für die Entspannung des Muskels nach der Kontraktion. Das ist bei der Herzmuskeltätigkeit, bei Migräne, bei Regelkrämpfen, für die Blutdrucksenkung durch Gefäßweitstellung, für die Darmmuskulatur (u. a. bei Verstopfung) und andere Bereiche relevant. Auch seelischen Anspannungen, Depressionen und Ängsten kann ein Magnesiummangel zugrunde liegen.

Noch mehr zur Brennnessel lesen Sie hier: Feine Faser, zähe Wurzel

Kneipp Blog

Kneipp Themen
Kneipp Säulen

Beliebte Beiträge

Teilen Sie diesen Beitrag

Österreichischer Kneippbund

Dem Österreichischen Kneippbund gehören heute mehr als 30.000 Mitglieder an, denen in rund 200 Kneipp-Aktiv-Clubs ein vielfältiges Gesundheitsprogramm angeboten wird. Regelmäßig erscheint zudem die Kneipp-Zeitschrift – mit vielen praktischen Tipps für mehr Gesundheit im Alltag.

Wichtige Links

[su_menu name=”Footer S2 Shop Allgemein” class=”footer_menu”]

[su_menu name=”Footer S2 Rechtliches” class=”footer_menu”]

Kneipp Shop

[su_menu name=”Footer S3 Shop” class=”footer_menu”]

Kneipp Themen

[su_menu name=”Footer S4 Main” class=”footer_menu”]

[su_menu name=”Footer S4 Aktuelle Schwerpunkte” class=”footer_menu”]