Zum Inhalt springen
Im Sommer ist Rohkost besonders erfrischend (Foto: sveta_zarzamora/iStockphoto.com)
Im Sommer ist Rohkost besonders erfrischend (Foto: sveta_zarzamora/iStockphoto.com)

Wieviel roh macht wirklich froh?

Zum Thema Rohkost kursieren teils skurrile Behauptungen und Auslegungen. Das geht von „alles nur roh“ bis zu „alles am besten kochen“. Sinnvolle Empfehlungen bei pflanzlicher Rohkost haben folgendes gemeinsam: Sie sollte in einer ausgewogenen, vollwertigen Ernährung ihren fixen Platz haben, aber mit Bedacht. Denn die Praxis zeigt, dass bei allen gut gemeinten Ratschlägen doch die individuelle Verträglichkeit das letztendlich Entscheidende ist.

Zu viel kann schaden

Viel Aufschlussreiches zum Thema Rohkost lieferte die Gießener Rohkoststudie in den 1990er-Jahren. Hier wurde der Gesundheitsstatus von rund 200 Personen erfasst, die sich fast ausschließlich oder gar ganz länger als ein Jahr mit roher Pflanzenkost ernährten. Während die Teilnehmenden mit pflanzentypischen Nährstoffen, wie beta-Carotin, den Vitaminen C, E, B1 und B6 sowie Folsäure, Selen und Antioxidantien, sehr gut versorgt waren, fehlte es den meisten an ebenso lebenswichtigem Kalzium, Zink, Jod und Vitamin B12 sowie Magnesium und Eisen. Gegen Ende der zweijährigen Studie wies rund die Hälfte der Teilnehmenden eine Anämie auf, ein Drittel der Frauen unter 45 Jahren hatten keine Menstruation mehr und bei fast zwei Dritteln zeigte sich deutliches Untergewicht.

Sich also weitgehend mit pflanzlicher Rohkost zu ernähren, kann vorübergehend Sinn machen, ist aber als dauerhafte Ernährung nicht ratsam. Feststeht, dass frische Rohkost eine Menge gesundheitsfördernder, aber hitzelabiler Stoffe liefert. Das sind vor allem wasserlösliche Vitamine, wie Vitamin C und Folsäure, ungesättigte Fettsäuren sowie die große Gruppe der bioaktiven Pflanzenstoffe. Speziell letztere kommen als Gerb-, Bitter-, und Scharfstoffe sowie ätherische Öle nur in Pflanzen vor. Sie wirken auf unseren Körper in vielerlei Hinsicht sehr positiv, wie beispielsweise antioxidativ, zellschützend, antithrombotisch, aber auch appetitregulierend und verdauungsfördernd. Gewürze, Kräuter und besonders essbare Wildpflanzen, wie z. B. Löwenzahn, Brennnessel und Bärlauch, liefern enorm viel davon. Noch kaum beachtet und untersucht ist hingegen die Bedeutung pflanzeneigener Enzyme. Und auch der Stellenwert natürlicher Probiotika, die nachweislich durch rohe Pflanzennahrung (speziell Fermentiertes) in unser Darmmikrobiom eingebracht werden, ist noch bei weitem nicht abschließend geklärt.

Immer gut waschen

Ob aus dem Sprossenglas, dem eigenen Garten, vom Biohof oder vorgeschnitten und verpackt aus dem Supermarkt – auf Obst, Gemüse, Salat und Kräuter tummeln sich etliche Mikroorganismen. Vor der Zubereitung ist daher stets gründliches Waschen angesagt. Besonders Sprossen, keimendes Getreide oder hippe Microgreens (Keimlinge) neigen leicht zu Schimmelbildung. Mit Salz, Essig, Zitronensaft, Kräuter oder Gewürzen lässt sich Rohkost nicht nur geschmacklich variieren, sondern auch von unerwünschten Keimen befreien. Da Salate grundsätzlich sehr leicht verderblich sind, sollten sie, besonders wenn einmal zubereitet, möglichst rasch verzehrt werden. Reste kann man maximal bis zum nächsten Tag gut gekühlt aufheben.

Allen guten Nährstoffen und Absichten zum Trotz, nicht jeder verträgt Rohkost problemlos. Oft sind nur bestimmte Gemüse oder Obstsorten betroffen, wie beispielsweise Zwiebel, Knoblauch, grüner Paprika
oder Birnen. Manches Mal wird aber so ziemlich alles Rohe zur Qual. Sodbrennen, Übelkeit, Magendrücken, Bauchkrämpfe oder Blähungen können die Folgen sein. Für die Rohkost-Unverträglichkeit gibt es vielfältige Gründe. Eine Hilfestellung kann hier im Rahmen einer Ernährungsberatung stattfinden. Wissenswert ist: Ähnlich wie ein Muskel reagiert auch unsere Verdauung auf regelmäßiges Training. Wer also regelmäßig roh isst, dessen Verdauung gewöhnt sich daran. Trotzdem lautet die Devise: Weniger ist mehr. Das heißt, lieber immer nur kleine Portionen einnehmen. Merkt man, dass es einem gut tut, kann man immer noch steigern.

• Jahreszeit. Rohkost ist besonders an heißen Tagen beliebt, da sie sehr erfrischend ist. Im Winter hat es sich bewährt, Rohkost stark zu reduzieren oder sogar ganz wegzulassen. Kommt im Winter doch der Gusto auf Rohköstliches, dann ist es besser, nicht zum typischen Sommergemüse, wie Paradeiser, Gurke und Paprika zu greifen, die im Winter ohnehin nicht gut schmecken, sondern sich lieber an Fermentiertem, frischen Sprossen oder saisonalem Wurzelgemüse genüsslich tun.

• Tageszeit. Rohkost am Abend liegt den meisten schwer im Magen, da sich unsere Verdauungskräfte um diese Tageszeit bereits zur Nachtruhe begeben. Zu spät gegessen, kann Rohkost zu unangenehmen Gärprozessen im Darm führen. Ein dumpfer Kopf am Morgen danach ist ein untrügliches Zeichen dafür.

• Trick. Kombinieren Sie Rohkost mit warmen Getränken, Suppen und Eintöpfen. So können auch verdauungsfördernde und blähungswidrige Kräuter und Gewürze, wie z. B. Minze, Fenchel, Kümmel oder Ingwer, ihre positive Wirkung tun.

Wie viel Rohkost jemand verträgt, ist auch eine individuelle Angelegenheit
(Foto: fcafotodigital/iStockphoto.com)

Gut gekaut ist halb verdaut

Egal, wie sorgfältig etwas zerkleinert, geraspelt, püriert, auspresst und zentrifugiert wurde, gut kauen und einspeicheln sollte man immer. Was nämlich das Kochen sonst schon als Vorarbeit leistet, muss bei roher Kost durch sorgfältiges Kauen und Einspeicheln erst nachgeholt werden. So erhöht sich nicht zuletzt die Ausbeute an wertvollen Inhaltsstoffen. 

• Getreide. Was rohes Getreide anlangt, spalten sich die Geister. Während Getreidesprossen (z. B. Gerstengras) gut mit Salaten und Smoothies kombiniert werden können, sind Frischkornbrei und ungekochtes Müsli nur für hartgesottene Rohkostfans geeignet. Neben einer Einweichzeit von mindesten zwölf Stunden braucht man hier viel Geduld beim Kauen, um Bauchweh und Verstopfung zu vermeiden. Möchte man es ausprobieren, so startet man am besten mit einem bis zwei Esslöffeln pro Tag und steigert sich bei guter Verträglichkeit auf maximal eine kleine Schüssel. Die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen ist bei rohem Getreide stark reduziert. Besonders die Phytinsäure verhindert eine Freisetzung wichtiger Mineralien, und ungekochte Stärke ist für unseren Körper ohnehin unverdaulich.

• Säfte & Smoothies. Auch Säfte und die beliebten Smoothies sollten nur in kleinen Portionen und nur gut eingespeichelt genossen werden. Hier ist maximal ein kleines Glas täglich angesagt. Zu beachten
ist, dass Obstsäfte und auch Karottensaft reichlich, wenn auch von Natur aus, Zucker enthalten.

• Keimlinge. Als wahre Nährstoffbomben gelten alle Arten von gekeimten Getreiden und Samen. Durch den Keimprozess vervielfacht sich nicht nur der Gehalt an Vitaminen, bioaktiven Stoffen und Enzymen, sondern auch der Geschmack. Besonders würzige Sprossen liefern Alfa Alfa, Bockshornklee, Senf und Kresse. Obwohl sonst nicht zum rohen Verzehr geeignet, ergeben auch manche Hülsenfrüchte schmackhafte Sprossen (z. B. Mungbohne). Geheimtipp: „aktivierte“ Nüsse. Durch Einlegen ins Wasser starten sie ebenfalls eine Art Keimprozess, mit dem Nebeneffekt, dass auch Personen mit weniger kräftigem Biss in den nussigen Genuss von Mandel, Haselnuss & Co kommen.

Bekömmliches Fermentieren

Beim Fermentieren von Gemüse handelt es sich um das milchsaure Vergären, wie wir es z. B. von Sauerkraut kennen. Salz, Gewürze und eine Schar verschiedener Gärungsbakterien machen fermentiertes Gemüse nicht nur ungekühlt haltbar, sondern auch besser verdaulich und geschmackvoll. Milchsauervergären kann man fast jedes Gemüse, wobei sich Wurzelgemüse, Rüben und Kohlgemüse am besten eigenen. In gut verschlossenen Gläsern kann Fermentiertes kühl und dunkel für viele Monate problemlos gelagert werden. Aber auch hier gilt: Wer es nicht gewohnt ist, nur in kleinen Portionen genießen, um Magen und Darm nicht zu überfordern.

Gar nicht oder mit Vorsicht

Manche Obst- und Gemüsesorten dürfen nicht roh gegessen werden. Dazu gehören beispielsweise Kartoffel, Auberginen, Hülsenfrüchte und auch die meisten Kohlgemüse. Sie enthalten sogenannte antinutritive Stoffe, wie z. B. Lektine, Hämagglutinine oder Thiocyanate. Diese können bei empfindlichen Personen akute Verdauungsprobleme auslösen und bei oftmaligem Konsum sogar zu kritischen Blut- und Organveränderungen führen.

Grüne Erbsen, Kürbis, Süßkartoffel, Topinambur, Artischocken, Schwarzwurzel und alle Arten von Pilzen und Getreiden sind ungekocht zwar nicht giftig, werden durch Kochen aber erst gut verträglich.

Lesen Sie auch: Optimal versorgt mit Nahrungsergänzungsmitteln?

Teilen Sie diesen Beitrag

Österreichischer Kneippbund

Dem Österreichischen Kneippbund gehören heute mehr als 30.000 Mitglieder an, denen in rund 200 Kneipp-Aktiv-Clubs ein vielfältiges Gesundheitsprogramm angeboten wird. Regelmäßig erscheint zudem die Kneipp-Zeitschrift – mit vielen praktischen Tipps für mehr Gesundheit im Alltag.

Wichtige Links

[su_menu name=”Footer S2 Shop Allgemein” class=”footer_menu”]

[su_menu name=”Footer S2 Rechtliches” class=”footer_menu”]

Kneipp Shop

[su_menu name=”Footer S3 Shop” class=”footer_menu”]

Kneipp Themen

[su_menu name=”Footer S4 Main” class=”footer_menu”]

[su_menu name=”Footer S4 Aktuelle Schwerpunkte” class=”footer_menu”]