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Dr. Marc Luy © ÖAW/Daniel Hinterramskogler

Länger leben: Experteninterview mit Dr. Marc Luy

Jeder möchte gesund altern und lange leben. Aber wie gelingt das am besten? Wir haben mit jemandem gesprochen, der es wissen muss: Seit über 20 Jahren erforscht Dr. Marc Luy, Direktor des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die Faktoren für ein langes und gesundes Leben. Der mit mehreren Auszeichnungen honorierte Wissenschaftler unterrichtet an verschiedenen Universitäten und hält Vorträge zum Thema Langlebigkeit.

Wieso haben Sie sich auf das Spezialgebiet Lebenserwartung fokussiert? Was fasziniert Sie daran?

Den Zugang dazu habe ich im Studium gefunden. Ich habe Geografie mit dem Nebenfach Demografie studiert und mein Demografie-Professor hat sich ebenfalls auf das Thema Lebenserwartung spezialisiert gehabt. Sein Enthusiasmus für dieses Spezialgebiet hat sich auf mich übertragen. Was mich bis heute daran fasziniert, ist, dass das Thema unmittelbar wichtig für jeden ist. Wann immer man fragt, worauf es im Leben ankommt, hat eine gute Gesundheit bei allen Menschen einen zentralen Stellenwert. Es ist für mich sehr spannend, direkt mit den Sorgen und Bedürfnissen der Menschen zu arbeiten. Außerdem interessieren mich die vielen noch offenen Fragen in der Forschung zu den Ursachen unterschiedlich hoher Lebenserwartungen. Das Thema ist wie ein Puzzle: Man kennt die einzelnen Puzzleteile, aber man weiß noch nicht, wie man sie richtig zu einem großen Gesamtbild zusammensetzt. Es ist ein sehr komplexes Forschungsfeld.

Einige dieser Puzzleteile in Sachen Lebenserwartung kennt wohl jeder: gesunde Ernährung, Sport, wenig Stress, gute Gene. Gibt es auch Faktoren, die weniger bekannt sind?

Ich denke, jeder hat einige oder die meisten der Faktoren schon irgendwo gehört. Der Killer Nummer eins ist zum Beispiel das Rauchen. Dass Rauchen schädlich ist, weiß vermutlich jeder. Trotzdem ist es noch immer so, dass die Folgen von Zigarettenkonsum die häufigsten Todesursachen sind. Auch soziale Kontakte haben einen großen Einfluss auf die Lebenserwartung, ebenso die Bildung. Je höher die Bildung, desto höher auch die Lebenserwartung. Bluthochdruck ist auch ein großer Faktor, aber auch das wird jetzt niemanden überraschen.

Zigarettenkonsum ist die Todesursache Nr. 1 (c) Pixabay

Auf manche dieser Faktoren hat man ja keinen oder nur wenig Einfluss, zum Beispiel das Geschlecht. Männer haben ja eine kürzere Lebenserwartung als Frauen. Inwieweit kann ich negative Faktoren ausgleichen?

Ja, die Gene oder das Geschlecht lassen sich nicht beeinflussen, allerdings hält sich der Einfluss der biologischen Faktoren in Grenzen. Sie wirken sich nur zu 25 % auf Unterschiede in der Lebenserwartung aus. Das heißt, dass 75 % unserer Lebenserwartung von uns selbst beeinflussbar sind. Und am besten steigere ich meine Lebenserwartung, indem ich Risikofaktoren kenne und vermeide. Natürlich gehört auch ein wenig Glück dazu, aber man sollte sich darüber bewusst sein, dass eine gesunde Lebensweise der beste Weg ist. Unsere Klosterstudie veranschaulicht sehr deutlich: Ordensbrüder leben überdurchschnittlich lang und man kann sich nun überlegen, wie das Leben im Kloster im Vergleich zum eigenen Leben abläuft und warum die Mönche eine so hohe Lebenserwartung haben.

Obwohl ja, wie Sie sagen, die Faktoren für ein langes Leben den meisten Menschen bekannt sind, sinkt die Lebenserwartung derzeit wieder. Warum?

Die Berechnung der Lebenserwartung ist keine Projektion der Realität, sondern eine raffinierte Berechnung aufgrund der Sterbefälle eines einzigen Kalenderjahrs. In den Pandemiejahren sind überdurchschnittlich viele Menschen gestorben, weshalb die Lebenserwartung im Vergleich zu den Jahren zuvor gesunken ist. Langfristig gesehen steigt die Lebenserwartung aber seit 150 Jahren kontinuierlich an. Was wir aber sehen, ist ein Abflachen dieses Anstiegs. Das liegt daran, dass sich die Altersbereiche, in denen die Lebensjahre gewonnen wurden, immer weiter nach oben verschoben haben. Zum Beginn des Anstiegs wurde die Säuglingssterblichkeit reduziert, dann auch die Kindersterblichkeit, die Jugendsterblichkeit und so weiter. Inzwischen ist die Sterblichkeit in der Gruppe der unter-60-Jährigen verschwindend gering, so dass Lebensjahre eigentlich nur noch in den oberen Altersstufen gewonnen werden können. Dadurch steigt nun auch die Lebenserwartung nicht mehr in dem Ausmaß, da sich die verlorenen Lebensjahre eines verstorbenen Säuglings viel stärker auf die Statistik auswirken als die eines Senioren. Außerdem nähern wir uns immer mehr der Altershöchstgrenze des Menschen. Die liegt bei etwa 115 Jahren. Leute, die älter werden, sind die absolute Ausnahme. Erst wenn wir eine Möglichkeit finden, diese Grenze weiter nach oben zu schieben, wird auch die Lebenserwartung wieder stärker steigen können.
Derzeit gibt es aber auch Anzeichen dafür, dass die jüngeren Generationen nicht mehr so gesund sind wie die älteren. Inwieweit sich das auf die Lebenserwartung auswirkt, muss noch erforscht werden, da der medizinische Fortschritt das ja zum Teil wieder ausgleichen kann.

Woran könnte es liegen, dass junge Menschen nicht mehr so gesund sind?

Wir sind gerade dabei, zu erforschen, ob sich das bestätigt und in welche Richtung es sich entwickeln wird. Ein aus meiner Sicht noch unterschätzter Faktor ist hier der Stress, der wohl als wichtiger neuer Risikofaktor auftritt.

Gerade bei jungen Menschen hätte man doch eher das Gefühl, dass sie weniger Stress haben und mehr Wert auf ihre Work-Life-Balance legen.

Das stimmt. Zum Beispiel ist die jüngere Generation nicht direkt vom Krieg betroffen, was ja für die Älteren schon ein wahnsinnig großer Stressfaktor war. Aber dafür gibt es heute neue Stressfaktoren, die ebenfalls sehr belastend sind. Wie der Stress mit der ständigen Erreichbarkeit. Und dann will man auch immer mehr und viel zu viel in einen Tag reinpacken. Manchmal denkt man, dass die 24 Stunden gar nicht mehr ausreichen für das, was man alles geplant hat. Dabei kommen die Erholungszeiten viel zu kurz. Diese Form von Stress hat es beispielsweise bei älteren Generationen nicht gegeben.

Ständige Erreichbarkeit bedeutet Stress für den Körper (c) Pixabay

Gibt es auch andere neue Erkenntnisse in Sachen Lebenserwartung?

Neue Erkenntnisse an sich nicht, da die Faktoren ja bekannt sind. Eher sind es neue Themen, die uns beschäftigen, etwa eben das Abflachen der Lebenserwartung. Und durch die zunehmende Verfügbarkeit von Befragungs- und medizinischen Daten werden die Faktoren zum Teil neu, aber man bemerkt jetzt, dass er viel relevanter ist als angenommen. Das Puzzle wird also immer wieder neu zusammengesetzt.

Welche Rolle spielt das Sozialleben bei der Lebenserwartung?

Eine sehr große. Es hat sich gezeigt, dass sich die Lebensstile von Menschen, die soziale Kontakte haben, von denen unterscheiden, die allein leben. Deswegen sind Menschen mit vielen sozialen Kontakten gesünder und sie leben länger. Das liegt unter anderem daran, dass man weniger Alkohol trinkt und weniger raucht, wenn man die richtigen sozialen Kontakte hat. Es gibt auch eine Art gegenseitiges Aufpassen, also es ist jemand da, der Probleme erkennt und auch weiterhelfen kann. Das ist auch ein Grund, weshalb Verheiratete länger leben als Singles. Und unter den Alleinlebenden gibt es beispielsweise einen viel höheren Anteil an Alkoholikern und anderen Suchtkrankheiten. Aber viele Faktoren beeinflussen sich auch gegenseitig, was die Forschung und das Zusammensetzen des Puzzles so komplex macht.

Soziale Kontakte erhöhen die Lebenserwartung (c) Pexels

Kann auch der Beitritt zu einem Verein das Leben verlängern?

Ja, denn auch hier kommt ja der soziale Aspekt zum Tragen. Noch stärker wird dieser Effekt, wenn es sich um einen Verein handelt, der sich dem Thema Gesundheit widmet. Man beeinflusst sich gegenseitig positiv. In der Gemeinschaft fällt es auch generell leichter, Risikofaktoren zu vermeiden.

Auch eine ehrenamtliche Tätigkeit kann sich positiv auf die Lebensqualität auswirken, etwa durch Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Anerkennung und die damit verbundene Steigerung des Selbstwertgefühls. Welche Faktoren sprechen aus Sicht der Lebenserwartungsforschung dafür, sich ehrenamtlich zu engagieren?

Es gibt ja die sogenannten Blue Zones, in denen die Menschen überdurchschnittlich alt werden und sehr lange gesund bleiben. Vor Kurzem habe ich bei einer Konferenz einen der Hauptforscher dieser Blue Zones getroffen, der mir erzählt hat, dass ein Schlüsselfaktor dieser Langlebigkeit ist, anderen Menschen etwas Gutes zu tun. Das wirkt sich unter anderem stressreduzierend und gesundheitsfördernd aus. Warum es uns so guttut, anderen zu helfen, ist zwar noch ein Rätsel. Aber in der Regel stehen ehrenamtliche Tätigkeiten ja mit dem Dienst für anderen oder die Gemeinschaft in Verbindung.


Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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