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Kontrolle, chronische Unzufriedenheit, Opferhaltung, Schwere und negatives Denken sind für ein erfülltes Sexualleben nicht förderlich (Foto: NATALIA KHIMICH/iStockphoto.com)
Kontrolle, chronische Unzufriedenheit, Opferhaltung, Schwere und negatives Denken sind für ein erfülltes Sexualleben nicht förderlich (Foto: NATALIA KHIMICH/iStockphoto.com)

“Ich hatte schon ewig keinen Sex mehr“

Ich habe eine liebe Freundin. Laura ist – nun ja – sagen wir, schon eine Weile jung. Mit den Jahren hat sie, ehemals gertenschlank, ein wenig zugelegt, was sie zutiefst bekümmert. Trotzdem ist sie attraktiv und wird in der Regel um gut zehn Jahre jünger geschätzt. Sie hat einen interessanten Job, ist überaus humorvoll und sehr klug. Und jetzt kommt‘s: Sie hatte seit 15 Jahren keinen Sex. In all dieser Zeit wurde sie von niemandem intim berührt, es gab keine Zärtlichkeit und keinen Geschlechtsverkehr. Sie sagt immer: „Weißt du, ich bin nicht einmal dazu gekommen ,Nein‘ zu sagen. Es hat mich auch niemand um ein Treffen gebeten. Ich gebe zu, dass ich mich auch auf eine unverbindliche Affaire eingelassen hätte. Aber es war so, als ob ich als weibliches Wesen einfach nicht vorhanden wäre.“

Das klingt unglaublich und ist doch für so viele Frauen Realität. Laura ist Single. Aber sowohl privat als auch in meiner Praxis höre ich ähnliche Geschichten von Frauen, die verheiratet oder liiert sind. Sie leben mit ihrem Partner zusammen, managen den Alltag, aber Sex findet nicht (mehr) statt. Geredet wird darüber nicht. Denn kein Sexualleben zu haben, ist etwas, wofür man sich schämt. Es kommt einem Versagen gleich. Und wenn andere davon wüssten, würden sie sich vermutlich lustig machen, einen als „komisch“ bezeichnen und denken, dass da wohl einiges nicht stimmt. Seien wir ehrlich: Jemand, der lange mit niemandem schläft, gilt als „Freak“. Und wer will das schon sein? Sex hat man einfach – im Rahmen einer Beziehung oder eben im Zuge gelegentlicher Begegnungen als Single. Aber ein sexfreies Bett outet einen irgendwie als Loser. Und daher gehört dieses Thema zu den großen Tabus.

Heikle Tabus

Ein weiteres Tabu ist die Frage, ob es moralisch in Ordnung ist, wenn eine Frau sich „nur“ Sex wünscht, wenn es mit einer Partnerschaft nicht klappt. Laura hätte damit kein Problem, aber ich weiß von vielen anderen, dass sie sich ein Sexualleben nur im Rahmen einer Beziehung vorstellen können. Und damit ist die „Ich hatte schon ewig keinen Sex“- Falle einmal mehr zugeschnappt. Denn eine Liebesbeziehung gerade in reiferen Jahren zu finden, ist nicht einfach. Also bleibt nur das Leben in der Welt der Berührungslosigkeit. Doch dort ist es kalt und wird mit den Jahren immer kälter. Laura sagte einmal zu mir: „Ich habe das Gefühl, langsam zu erfrieren“.

Natürlich betrifft diese Problematik nur solche Menschen, die sich ein Sexualleben wünschen. Ich kenne einige Frauen, die geradezu erleichtert sind, dass die „leidige Angelegenheit“ endlich erledigt ist. Aber ich lasse jetzt bewusst die „Paare ohne Sex“ draußen. Das ist eine eigene spannende Geschichte. Und auch die Herren werden diesmal ausgelassen, weil bei dringenden „Notfällen“ ja schon immer für sie gesorgt war. Doch was ist der Grund, dass Single-Frauen (durchaus auch in jüngeren Jahren), die in Ermangelung einer Partnerschaft auch an rein sexuellen Begegnungen interessiert sind, damit leben müssen, dass kein
Mann sie in den Arm nimmt, streichelt und ihnen aufregende Dinge ins Ohr flüstert? Heute bietet doch allein das Internet viele Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen – für eine Beziehung und, falls gewünscht, auch „nur“ für Sex. Also wo ist das Problem?

Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Wenn Sie lange keinen Sex hatten, sind Sie – unbewusst – nicht bereit dafür. Das strahlen Sie aus, und wie von Zauberhand nähert sich gar niemand. Natürlich sind die Möglichkeiten mit zunehmendem Alter eingeschränkter als in der Jugend. Aber zur Aufmunterung: Ich kenne eine Dame, die mit 70 ihre große Liebe kennengelernt hat. Das ist jetzt Jahre her und die beiden sind immer noch glücklich.

Vielfältige Gründe

Was können nun die Gründe sein, dass Sie – obwohl Ihre Sehnsüchte in eine ganz andere Richtung gehen – in der Tiefe Ihres Wesens nicht bereit dafür sind, sich sexuellen Erfahrungen hinzugeben? Ein wichtiger Punkt ist der, dass Wunden aus der Vergangenheit noch nicht geheilt sind. Das können seelische und körperliche Missbrauchserfahrungen, nicht bewältigte Verlusterlebnisse, ein großer Mangel an Selbstliebe oder jedes andere Trauma sein. Vielleicht wurden Sie in Ihrer Kindheit abgewertet, ignoriert oder auf andere Weise schlecht behandelt. Möglicherweis ist Ihre Weiblichkeit, wie bei vielen Frauen, ein verletzter Bereich. Es kann auch sein, dass Ihre Beziehungen bisher hauptsächlich „toxisch“ waren. Und nun ruft der bewusste Teil von Ihnen „Ich will!“, aber das Unterbewusstsein sagt: „Niemals! Diesen Schmerz werde ich nie wieder zulassen!“

In unserem Leben verwirklicht sich immer das, was als altes Muster im Unbewussten gespeichert ist. Diese Prägungen reichen mit einem langen Arm aus der Vergangenheit in die Gegenwart und bestimmten noch heute unsere Gefühle, Gedanken und Handlungen. Und wenn Sie in Bezug auf Männer schmerzhafte Erfahrungen gemacht haben – vielleicht schon mit Ihrem Vater –, kann sich das als Blockade sowohl für eine Beziehung als auch für sexuelle Erlebnisse erweisen.

Möglicherweise klappt „es“ auch deswegen nicht, weil in Ihrem Leben für längere Zeit andere Bereiche wichtiger waren. Das können beruflich Belange oder das Bewältigen von bestimmten Herausforderungen in der Familie sein. Meist geht es aber um ein konkretes Thema: Um die Heilung einer noch immer eiternden Wunde des Gefühls von tiefer Wertlosigkeit. Eine Partnerschaft, aber auch eine sexuelle Beziehung, würde Sie vielleicht daran hindern, sich auf diesen Heilungsweg zu begeben. Und dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Geschichte wieder einmal unglücklich endet. Denn kaum etwas steht dem Liebesglück oder auch einem befriedigenden, sexuellen Erleben mehr im Weg als zu wenig Selbstliebe.

Wichtige Lernprozesse

Weitere Themen, die bei Ihnen vor einer partnerschaftlichen oder sexuellen Begegnung zuerst beachtet werden wollen, sind vielleicht die großen Lernprozesse des Lebens: Akzeptanz dessen, was gerade ist, Aufgabe des inneren Widerstandes dagegen, Dankbarkeit für das, was trotz allem gut läuft, Glaube an die eigene Kraft, aber auch Hingabe an den Fluss des Lebens, Leichtigkeit und Freude. Sie fragen sich vielleicht: Was um Himmels willen hat das alles mit meinem nicht vorhandenen Sexualleben zu tun? Abgesehen davon, dass diese Haltungen generell dazu beitragen, dass Ihr Leben mehr Qualität bekommt, helfen Sie auch bei Beziehungen zu anderen Menschen. Und auch der Sexualität tun sie gut. Denn Kontrolle, chronische Unzufriedenheit, Opferhaltung, Schwere und negatives Denken sind definitiv nicht förderlich – weder für Sie noch für einen (Sexual-) Partner.

Wenn es so gar nicht funktioniert, beantworten Sie sich selbst auch ehrlich die folgende Frage: „Habe ich Angst vor Nähe?“ Die meisten von uns wurden bereits tief verletzt und manche wehren daher – unbewusst – jeden Kontakt ab, der zu eben dieser Nähe und folglich erneuter Verletzbarkeit führen könnte. Dabei gibt es viele Szenarien: Sie verzehren sich nach einem Mann, der bereits vergeben oder aus anderen Gründen für Sie nicht zu haben ist, schwärmen für einen Narzissten oder emotional völlig unzugänglichen Typen, Spieler, Alkoholiker, Drogenkonsument, chronischen Lügner oder jemanden, der aus irgendeinem anderen Grund nicht in Frage kommt. Es kann auch sein, dass tatsächlich kein Mann sich Ihnen nähert, weil Sie mit Ihrem Verhalten signalisieren: „Bleib mir fern!“ Das kann durch extrem elegante Kleidung, eine abweisende Mimik oder Körperhaltung, aber auch durch liebloses Äußeres geschehen.

Lesen Sie weiter: Sex und eine mögliche Annäherung

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