Büroarbeit am Computer, Fließbandtätigkeit in einer Fabrik, schwere körperliche Arbeit auf einer Baustelle, Lehren an einer Schule, Home-Office in den eigenen vier Wänden – so verschieden all diese Berufe und Tätigkeiten sind, so unterschiedlich sind auch die Anforderungen, die dabei an Körper und Gesundheit gestellt werden. Und an den entsprechenden Arbeitsplatz. Genau damit, nämlich mit sicheren und guten Arbeitsbedingungen, beschäftigt sich die Ergonomie. Dr. Gerda Reichel-Vacariu, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin am Orthopädischen Krankenhaus Speising in Wien, bekommt es berufsbedingt oft mit den Folgen zu tun, wenn ergonomische Konzepte fehlen oder nicht gut umgesetzt wurden: „Ein ergonomischer Arbeitsplatz soll die berufliche Tätigkeit optimal unterstützen und die arbeitsbedingten Belastungen möglichst minimieren. So kann man Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten oder arbeitsbedingten Erkrankungen vorbeugen.“
Optimale Arbeitsplatz-Gestaltung
Die meisten beruflichen Tätigkeiten werden im Sitzen oder Stehen ausgeübt. Wichtig sind hier in jedem Fall Arbeitshöhe und Sitzhöhe, die sich an die Körperhöhe anpassen und genug Bewegungsspielraum für die Beine lassen, sowie eine natürliche Körperhaltung ermöglichen. Ist die Arbeitshöhe zu hoch oder zu niedrig, können Verspannungen oder Rückenbeschwerden auftreten.
Im Mittelpunkt von berufsbedingten Problemen stehen vor allem Bildschirmarbeitsplätze. Um möglichen gesundheitlichen Beschwerden vorzubeugen, sollen diese Plätze bestimmte Vorgaben erfüllen. Neben dem richtigen Büroinventar und der optimalen Einstellung von Schreibtisch- und Sesselhöhe sowie Bildschirmpositionierung, ist vor allem eines essenziell: dynamisches Sitzen. „Natürlich ist ein ergonomisch gut geformter Bürostuhl, der den Rücken unterstützt, wichtig. Vor allem aber sollte man seine Sitzhaltung immer wieder wechseln, und wenn möglich auch die Sitzunterlage“, betont Dr. Reichel-Vacariu. „Wir wissen, dass statisches Sitzen über Stunden nicht gut für unseren Körper ist. Sitzkissen, Sitzball oder auch ein Stehpult sorgen da für die nötige Abwechslung.“
Unbedingt Pausen
Auch regelmäßige kurze Pausen – etwa alle 50 Minuten – sorgen für Entlastung. „Es macht Sinn, diese Unterbrechungen aktiv zu gestalten“, erklärt die Medizinerin. „Bewegungs-und Lockerungsübungen entspannen jene Muskelgruppen, die länger in statischer Starre waren.“ Zu einer aktiven Pause gehört auch die Zufuhr von Sauerstoff, also die Fenster öffnen und tief durchatmen. Und mittags möglichst einen kurzen Spaziergang einlegen. Das bringt auch eine mentale Entlastung. „Das Schlagwort heißt ‚motion is lotion‘, also ,Bewegung ist ein Schmiermittel‘“, so Dr. Reichel-Vacariu. Einfache Übungen für Zwischendurch sind z. B. die Schultern kreisen zu lassen oder ganz leichte Nickbewegungen mit dem Kopf von einer Seite zur anderen zu machen, das lockert die Halsmuskulatur.
Neben den Arbeitsmitteln, wie Inventar, Mobiliar und technischen Geräten, sind auch Arbeitsorganisation – also etwa Arbeitszeiten, Mitsprache und Wertschätzung – ein Thema, ebenso wie die Arbeitsumgebung. Dazu gehören z. B. Raumklima, Lärm, Licht und Luftqualität. Vor allem ist aber der Mensch selbst Teil einer guten Arbeitsplatzgestaltung. Jeder sollte auf seine Gesundheit achten und selbst überprüfen, ob er genug Pausen macht, Ausgleichssport betreibt und sich trotz hoher Arbeitsdichte gesund ernährt.
Häufige Beschwerden
Wird die Ergonomie bei der Arbeitsplatzgestaltung außer Acht gelassen, erhöht sich das Risiko für Probleme und Erkrankungen. Zu den häufigen Symptomen zählen Rücken- und Nackenschmerzen, Schulterleiden, Beschwerden des Handgelenkes, Kopfschmerzen, trockene Augen und Konzentrationsprobleme. „Besonders oft werden wir mit Problemen der Halswirbelsäule und der Schultergürtelmuskulatur konfrontiert“, bilanziert die Medizinerin. „Wenn Muskelgruppen ohne Erholungszeit lange aktiv sein müssen, bekommen sie einen zu hohen Tonus und es kommt zu Verspannungen.“ Wichtig sind Übungen, die dehnen und die Bewegung wieder fördern. Auch Kräftigungsübungen für schwache Muskeln sind empfehlenswert. „Das sollte allerdings zumindest anfangs unter Anleitung oder mit Kontrolle passieren“, rät die Expertin.
Eine weitere häufige Schwachstelle ist die Lendenwirbelsäule: Hier kann durch langes Sitzen eine Abschwächung entstehen. Tipp der Ärztin: „Beim Sitzen sollte man versuchen, eine gewisse Grundspannung einzunehmen. Dabei spannt man den Beckenboden leicht an und zieht den Nabel nach innen. Das fördert das muskuläre Korsett, das man auch aktivieren sollte, wenn man aufsteht.“ Apropos Aufstehen: Da auch die Bandscheiben durch langes Sitzen belastet werden, sollte man eine abrupte Drehbewegung beim Aufstehen vermeiden, sonst droht ein Bandscheibenvorfall.
Maus-Arm und Office-Eye-Syndrom
Auch Handgelenk und Sehnen können durch die sich ständig wiederholenden Bewegungen mit der Computermaus in Mitleidenschaft gezogen werden. „Spezielle ergonomische Mauspads und Mäuse schaffen Abhilfe, und Lockerungsübungen in Arbeitspausen helfen, die Unterarmmuskeln zu stärken“, weiß Dr. Reichel-Vacariu. So kann man die Handgelenke lockern und ausschütteln und anschließend einen Arm ausstrecken, die Finger Richtung Körper drücken und einige Zeit halten. Anschließend den Arm wechseln. Schließlich ist auch der richtige Abstand zum Bildschirm (50 bis 80 cm), sowie eine gute Beleuchtung für die Augen entscheidend. Denn „trockene Augen“ treten bei der Computerarbeit so häufig auf, dass bereits ein eigener Begriff dafür geprägt wurde: das Office-Eye-Syndrom. Auch hier helfen Pausen, die man mit Übungen verbringt.
Tipp: die Augen hin und her bewegen und in alle Richtungen rollen. Oder die Augen schließen, dann die Hände aneinander reiben bis sie warm sind und auf die Augen legen („Palmieren“) – das entspannt die Augenmuskeln.
Was bedeutet Ergonomie?
Es geht darum, Arbeit und Gesundheit zu verbinden. Der Begriff Ergonomie beinhaltet die griechischen Wörter ergon (Arbeit, Werk) sowie nomos (Gesetz, Regel). Die wissenschaftliche Disziplin betont, wie Geräte und Abläufe des Arbeitslebens optimal an die individuellen Bedürfnisse der tätigen Mitarbeiter angepasst werden können – und zwar so, dass diese im Job leistungsfähig bleiben, ohne die eigenen Bedürfnisse zu verleugnen.
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