Zum Frühstück gibt es Müsli mit Joghurt und Früchten. Mittags ist nicht viel Zeit, da reicht ein schnelles Weckerl und ein Apfel. Zum Tagesausklang dann ein knackiger Salat, dazu wird Vollkornbrot geknabbert. Alles in allem hört sich das wunderbar gesund an. Doch wie geht der Körper mit ungekochtem Getreide wie einem Müsli um? Was bewirkt ein erfrischendes Joghurt? Ist Blattsalat tatsächlich ein leichtes Abendessen? Und was sagt zu all dem das Bauchgefühl?
Verdauungsprobleme, schlechter Schlaf und Kältesymptome sind häufig Ursachen von „gesunder“ Ernährung. Die Nahrung ist zwar nach herkömmlichen Kriterien gesund, aber wenn sie für den Einzelnen unbekömmlich ist, führt das zu den unterschiedlichsten Problemen. Aus Sicht der TEM (Traditionelle Europäische Medizin) geht man in puncto gesund noch einen Schritt weiter: „Du bist, was du verdaut hast“. Denn wesentlich ist, wie der Körper mit der Nahrung zurechtkommt.
Die tatsächliche Verdauung ist daher der zentrale Schlüssel für „gesund“. Mit Verdauung ist nicht bloß die Ausscheidung gemeint, es geht viel tiefer – denn alles, was wir zu uns nehmen, nehmen wir entweder in unsere Zellen auf oder scheiden wir aus. Ein Urprinzip ist es, alles was wir essen, so gut wie möglich zu verwerten und für den Körper nutzbar zu machen. Für jede einzelne Zelle. Gesundes Essen ist also im weitesten Sinne ein maßgeblicher Beitrag zur Ressourcenschonung: Mit den geringsten, aber besten Mitteln holen wird das Optimum für den Körper aus unseren täglichen Mahlzeiten. Und da wir alle grundverschieden sind, ist gesundes Essen für jeden anders – abhängig von der Kraft des Magens, von der Lebenssituation sowie von den Jahres- und Tageszeiten.
Das maßgebliche Zentrum
Der Bauch ist das Zentrum unseres Körpers, der Ursprung für die Nährstoffe und unsere Körpersäfte. Er ist die Wurzel unserer tiefsten Intuition. Wenn es im Bauch weh tut, wenn es zwickt, dann müssen wir wieder lernen, genau „zuzuhören“. Beschwerden wie Blähungen und Sodbrennen haben oft mit Stress und emotionalen Belastungen zu tun, die die Verdauungskraft blockieren. Unsere Mitte ist zudem ein Abbild unseres seelischen Zustands und will gut genährt sein. Das Wohlgefühl im Bauch ist eng mit der Psyche verknüpft, die traditionelle Ernährung kennt den Zusammenhang sehr gut. Die TEM betrachtet Verdauung und Ernährung daher nicht getrennt voneinander. Beide haben einen besonderen Stellenwert und sind unmittelbar miteinander verknüpft. Mit einer gut funktionierenden Verdauung sind körperliche und seelische Gesundheit sowie stabile Abwehrkräfte verbunden. Es ist faszinierend, was jeder einzelne Bissen bewirkt, wie er durch den Körper wandert, um schließlich ein Teil von uns zu sein. Ein Wunderwerk der Natur.
Das alte Heilwissen bringt, was die Verdauung betrifft, erstaunliche Impulse. Die Erkenntnisse beruhen vor allem auf Beobachtungen. Man darf sie bildlich verstehen, sie spüren und fühlen. Alles, was wir zu uns
nehmen, hat eine Lebensenergie und diese Lebensenergie wandeln wir in unsere eigene Energie um. Es ist ein langwieriger und empfindlicher Prozess, bis aus Fremdem schlussendlich Körpereigenes wird. So spricht man traditionell nicht von Verdauung, sondern von „Kochungen“ und teilt diese in drei Schritte ein: Die erste Kochung findet im Bauchraum (Mund/Magen/Darm-Rohr) statt – hier wird das Essen zerkleinert und auf Betriebstemperatur gebracht. Die zweite Kochung findet in der Leber statt (heute weiß man, dass die Leber das wärmste Organ ist). In der Leber werden die bildhaften vier Körpersäfte (Sanguis, Chole, Melanchole und Phlegma) gebildet. Die dritte Kochung schließlich findet in den Zellen statt.
Diese drei Kochungen gilt es so gut wie möglich zu unterstützen. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, um es seinem Körper so angenehm und unproblematisch wie möglich zu machen, um ein wohliges Bauchgefühl und einen erholsamen Schlaf zu haben. Und um geistig und körperlich vital zu sein.
Verlängerter Arm des Magens
Durch Schneiden, Zerkleinern und Kochen, durch Auswählen und Kombinieren können wir den Magen bereits von außen bei seiner kraftvollen Tätigkeit unterstützen. Eine großartige (Weiter-)Entwicklung der Menschheit ist das Feuer, das wir heute in Form eines Gas- oder Elektroherdes jederzeit verwenden können. Unsere Küche wird also zum verlängerten Arm des Magens. Wenn man sich den Magen als brodelnden, dampfenden Kochtopf vorstellt, die Verdauungskraft als loderndes Feuer, die Asche als Ausscheidung und den Topfinhalt selbst als Kraft- und Energiespender, fällt das leichter.
Wie fühlt sich jetzt ein knackiger Blattsalat an einem kalten Tag an? Wohlig angenehm oder eher kühlend? Hat der Magen die Kraft, den kalten Salat zu verdauen? Entwickeln sich Blähungen? Fröstelt einem danach? Was macht der Körper mit Vitaminen und Nährstoffen aus rohen Lebensmitteln? Kann er diese aufnehmen? Wie sieht es mit der Verdauung nach einem üppigen Verzehr roher Karotten aus? Wie nach mehreren Äpfeln? Und das täglich. Wie fühlt es sich an? Nun liegt es an jedem Einzelnen, seinem Bauchgefühl zu vertrauen, in sich hinein zu spüren und der Intuition zu folgen. Wenn es sich gut anfühlt, ist es gut. Wenn man zweifelt, dann gilt es jetzt, einen Schritt weiterzugehen.
Ein sinnlicher Prozess
Nun geht es in die Küche, denn hier wird bereits der Stoffwechsel aktiviert. Mit dem Geruch und der Zubereitung leitet man in kleinen Schritten die Verdauung ein, denn Gehirn und Darm stehen in ständigem Kontakt. Wir nehmen die Nahrung immer auch über Augen, Nase und Mund wahr. Alles zählt: Geruch. Optik. Greifen. Hören. Wärme. Mundgefühl. Geschmack. Sinne und Empfindungen werden weitergegeben. Wenn es gut duftet, werden die Verdauungssäfte angeregt. Sprichwörtlich rinnt einem bereits das Wasser im Mund zusammen. So ist es, denn im Speichel befinden sich bereits die ersten wichtigen Enzyme, um die Nahrung gut aufzuspalten. Auf dem Teller geht es dann weiter. Schön angerichtet, in wohliger Umgebung, ist es wesentlich angenehmer zu essen als hektisch im Stehen – oder gar im Gehen. Der „fremden Lebensenergie auf dem Teller“ Aufmerksamkeit, Zeit und Respekt zu schenken, bedeutet Wertschätzung, die man in gleichem Ausmaß auch sich selbst zumisst. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, gut zu kauen (ob man einen Bissen nun 10, 20 oder 30 Mal kaut, sei jedem selbst überlassen). Ausreichendes Kauen aktiviert jedenfalls die Verdauung, den Stoffwechsel und hat einen hohen Einfluss auf den Sättigungsgrad. Und je besser die Speisen eingespeichelt werden, desto mehr wird dem Magen die Knetarbeit erleichtert.
Verdauung und Lebenskraft
Im Magen selbst wird der Speisebrei aufgelöst, die Magensäure zerstört die letzten Keime. Im Darm, mit Unterstützung der Mikroflora des Darms – also den vielen unzähligen Darmbakterien – erfolgt dann die Zerlegung des Speisebreis in die einzelnen Bausteine sowie die Resorption des Wassers. Nur, wenn die Lebensmittel ausreichend zerlegt werden können, sind sie dem Stoffwechsel zugänglich. Fehlt die Verdauungskraft oder wurde sie nicht ausreichend unterstützt, kann die Nahrung nicht entsprechend aufgeschlossen werden. In diesem Fall bleibt die wertvolle Nahrung dem Körper verschlossen, sodass wichtige Bestandteile ungenutzt ausgeschieden werden.
Um den Darmbakterien die Aufspaltung zu erleichtern, brauchen sie passende Nahrung. Sie lieben Ballaststoffe, Prä- und Probiotika, wie sie etwa in Gemüse und fermentierten Lebensmitteln vorkommen. So gedeihen und wachsen sie am besten. Oft fehlt den Darmbakterien aber diese wichtige Nahrung, nicht zuletzt durch das vermehrte Aufkommen industriell produzierter Fertigprodukte, die auf den ersten Blick wohl vielversprechend und praktisch erscheinen, aber schlussendlich nicht die notwendige Lebenskraft liefern. Die Lebenskraft ist es, die man mit gesunder Ernährung erhalten und stärken kann.
Verdauung aufzeichnen
Es ist ein individueller Weg, herauszufinden, wie und was man am besten isst, damit man gut verdaut und alle Bausteine so gut wie möglich aufnehmen kann. Ein kleines Tagebuch kann dabei helfen, um auf den Ernährungsalltag aus einem speziellen Blickwinkel zu schauen: Wie geht es einem, wenn man dieses oder jenes isst? Welchen Einfluss hat die Tageszeit? Wie ist das Gefühl? Wie ist danach der Schlaf? Was hat sich verändert? Fühlt es sich im Bauch gut an? Bedürfnisse ändern sich und auch Ernährungsgewohnheiten lassen sich ändern, indem man auf den eigenen Bauch hört und vertraut. Denn jeder entscheidet selbst, was einem guttut, was nährt und den eigenen Körper am besten versorgt.
Nun kocht man nicht immer nur für sich allein. Auch die Verdauung von Familie und Freunden will gut versorgt sein. Gewürze, Beilagen und unterschiedliche Garmethoden helfen, um den Verdauungsmöglichkeiten aller Beteiligten bestmöglich gerecht zu werden. Dabei ist es immer gut, die Mitte im Blick zu haben und gekochte Speisen mit viel Gemüse anzubieten. Geröstete Nüsse, Honig, Joghurt und eingelegtes Gemüse können dann jedes Gericht zusätzlich verfeinern. Der Esstisch bietet sich für Gewürzmischungen an, um für jeden Geschmack und jede Gelegenheit die passende „Note“ parat zu haben. So kann jeder nach seinem Belieben das Gericht der persönlichen Verdauung anpassen.
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