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Im Verlauf der Evolution haben Pflanzen eine unüberschaubare Menge an Schutzstoffen entwickelt (Foto: Marina Lohrbach/iStockphoto.com)
Im Verlauf der Evolution haben Pflanzen eine unüberschaubare Menge an Schutzstoffen entwickelt (Foto: Marina Lohrbach/iStockphoto.com)

Warum heilen Pflanzen?

Zu diesem Thema vorab eine kurze Geschichte. Vor einigen Jahren erhielt ich von einem heimischen Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Phytopharmaka beschäftigt, eine Einladung nach Wien. Im Rahmen eines Symposiums sollte ich einen Vortrag zum Thema „Warum heilen Pflanzen?“ halten. Die Zeit auf der Zugfahrt nach Wien habe ich genutzt, um meinem Vortrag den letzten Schliff zu geben. Neben mir saß eine ältere Dame, die sichtlich interessiert, die Bilder von Heilkräutern auf dem Bildschirm meines Laptops betrachtete. Kurz vor Ankunft in Wien fragte sie mich, ob ich einen Vortrag vorbereiten würde. Ich bejahte und stellte ihr auch den Titel meines Vortrages vor. Sie meinte darauf, dass es auf diese Frage ja eine ganz einfache Antwort gäbe. Jetzt erwachte mein Interesse und ich fragte die Dame, was sie den meine, warum die Pflanzen Heilkräfte hätten? Ihre Antwort war ernsthaft und kurz: „Weil es der liebe Gott so will.“ Für mich als Naturwissenschafter war die Antwort nicht zu akzeptieren, es blieb dann aber keine Zeit, um mit meiner Sitznachbarin in eine Diskussion zu kommen.

Manchmal sind die einfachsten Fragen gar nicht so leicht zu beantworten. Im Verlauf der vergangenen Jahre konnten aber auf gerade diese Frage viele interessante Antworten gefunden werden. Wie so oft, kann auch diesmal die Evolutionsbiologie weiterhelfen. Es gibt den berühmten Satz des Evolutionsbiologen Theodosius Dobzhansky, der bei einem Vortrag meinte: „Nothing in biology makes sense except in the light of evolution (Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn, außer man betrachtet es im Licht der Evolution)“. Man muss also bei Fragestellungen in der Biologie immer die Evolution mitdenken. So konnte nachgewiesen werden, dass alle Lebewesen, angefangen von den Bakterien über die ein- und mehrzelligen Algen, die tierischen Einzeller und Pilze bis zu den Tieren und uns Menschen, miteinander verwandt sind – und, dass das Leben, wie wir es heute kennen, eine einzige gemeinsame Wurzel hat. Beim Vergleich der zellulären Stoffwechselwege zwischen den Echten-Bakterien, den Archae-Bakterien und den höher entwickelten Lebewesen hat man verblüffende Gemeinsamkeiten entdeckt. Dies bedeutet, dass pflanzliche und tierische Lebewesen einerseits in der Zellchemie große Gemeinsamkeiten besitzen – und, dass andererseits beide Gruppen mit ähnlichen Problemen zurechtkommen müssen.

Eine Antwort auf die Frage, warum Pflanzen heilen, kann man in drei Bereiche unterteilen:

  • Im Stoffwechsel der Pflanzenzelle entstehen, wie im Stoffwechsel der tierischen Zelle, viele Substanzen, die als freie Radikale einen Schaden anrichten könnten und die von sogenannten Antioxidantien neutralisiert werden.

  • Die Pflanzenzelle ist, ebenso wie die tierische Zelle, von Viren, parasitischen Bakterien und Pilzen bedroht.

  • Pflanzen haben im Verlauf der Evolution gelernt, Partnerschaften mit Tieren einzugehen. Eine gute Partnerschaft (Symbiose) entsteht, wenn beide Teile einen Nutzen aus dem Zusammenleben erhalten.

    Schutzstoffe für Menschen

    Freie Radikale sind äußerst reaktionsfähige Moleküle, die in der Zelle teils nutzvolle Funktionen übernehmen, aber auch eine Gefahr für zelleigene Strukturen darstellen. Bei uns Menschen wird ein Übermaß an freien Radikalen mit Zivilisationskrankheiten, wie z. B. Arteriosklerose oder Immunschwäche, in Zusammenhang gebracht. Auch für die Pflanzenzelle ist das Vorhandensein von freien Radikalen ein Problem, weil etwa Schäden an der Erbsubstanz (DNA) auftreten können. Um diese freien Radikale, die häufig beim Fotosynthese-Prozess auftreten, zu neutralisieren, haben Pflanzenzellen eine Vielzahl von sekundären Pflanzenstoffen entwickelt, die als Antioxidantien eine Schutzfunktion besitzen. Bekannte Stoffe mit einer antioxidativen Wirkung sind die Carotinoide, die Polyphenole (Phenolsäuren und Flavonoide) und die Sulfide. Wenn wir Menschen mit unserer Nahrung solche pflanzlichen Antioxidantien aufnehmen, entfalten sie in unseren Zellen die gleichen Schutzwirkungen wie in den Pflanzenzellen. Wir profitieren also von den chemischen Schutzstoffen der Pflanzen.

    • Gut untersucht sind die Wirkungen der Carotinoide, von denen besonders das Beta-Carotin und das Lykopin von Bedeutung sind. Das orangefarbene, oft auch rote Beta-Karotin kommt z. B. in der Paprika, in Karotten, in Marillen und vielen anderen Obst- und Gemüsesorten vor. Reich an natürlichem Lykopin sind reife Tomaten und Hagebutten, wobei die Bioverfügbarkeit aus gekochten Tomatenprodukten am höchsten ist.

    • Bekannte Stoffe aus der Gruppe der Polyphenole sind das Quercetin, das Resveratrol und die Flavonoide. Bedeutende Quercetin-Quellen sind Äpfel, Grüntee und Zwiebeln. Resveratrol kommt in hohen Mengen in Roten Trauben, Wein und Kakao vor. Von den Flavonoiden sind heute über 8.000 Verbindungen bekannt. Neben ihrer Bedeutung als Antioxidantien dienen sie den Pflanzen auch als Farbstoffe. Besonders das Anthocyan ist in vielen reifen Früchten wie Schwarzbeeren, Schwarzen Ribiseln, Aronia- und Schwarzen HolunderFrüchten enthalten. Auch die Gesundheitswirkung des kaltgepressten Olivenöls beruht auf dem Gehalt an antioxidativ wirkenden Polyphenolen.

    • Sulfide sind für den scharfen Geschmack von Zwiebeln, Knoblauch und Rettich verantwortlich. Der hohe Gesundheitswert des Knoblauchs hängt mit seiner antioxidativen Schutzwirkung auf die Zellmembranen zusammen.

    Antiviral, antibakteriell, Fungizid

    Viren, Bakterien und parasitische Pilze sind Feinde von Pflanzen ebenso wie von Tieren. Im Verlauf der Evolution haben Pflanzen eine unüberschaubare Menge an Schutzstoffen entwickelt, die vor diesen Mikroorganismen schützen sollen. Besonders Pflanzenteile, die in der dunklen und feuchten Erde wachsen, wie die Wurzeln, müssen sich gegen Angriffe aus der Mikrowelt schützen. Aus diesem Grund werden in der Volksheilkunde viele Wurzeln gegen bakterielle und virale Entzündungen verwendet. Ein schönes Beispiel für eine hocheffektive, antibakterielle Wirkung ist die Wurzel der Blutwurz. Gleich zwei Inhaltsstoffe, die Gerbstoffe und das Tormentillrot, besitzen eine abwehrende Wirkung auf Bakterien.

    Weil Pflanzen auch von Viren befallen werden, haben sie auch gegen diese Angreifer Schutzstoffe entwickelt. Bekannt für die Wirkung gegen HerpesViren, die bei uns Fieberbläschen erzeugen können, sind die Inhaltstoffe der Echten Melisse. Ein AntiFieberbläschen-Mittel auf Basis von Melissenblättern bekommt man in jeder Apotheke. Fungizide Wirkung wiederum besitzt Propolis, das über den Sammeleifer der Bienen auch für uns nützlich ist. Um Propolis zu nutzen, müssen Bienen die Harze und Wachse von Pflanzenknospen sammeln. Diese Pflanzen selbst schützen wiederum ihre zarten und empfindlichen Knospen mit dem Harz gegen den Angriff von Bakterien, Viren und Pilzen.

    Lesen Sie weiter: Erfolgreiche Partnerschaften bei Pflanzen

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