“Ich war von Anfang an mit Leib und Seele bei der Sache. Wenn ich Kneippgüsse bei den Gästen durchführte, gab mir das selber Kraft“, erzählt Sr. Reintraud Hattmansdorfer, ehemalige Oberin des Curhauses in Bad Kreuzen. Stolze 53 Jahre lang war sie in den Kneipp-Traditionshäusern der Marienschwestern als „Guss-Schwester“ tätig. Aus nah und fern kommen heute Menschen zur Kneipp-Kur in die Curhäuser ins Mühlviertel nach Bad Mühllacken und Bad Kreuzen. „Nicht nur Stammgäste, die ihre Beschwerden kurieren wollen, sondern viele Gesundheitsbewusste nutzen die Kraft des Wassers zur Vorsorge“, sagt Thomas Kanitz, Therapieleiter und Physiotherapeut in Bad Kreuzen.
Kneipp-Traditionshaus
Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der Kneipp-Kur bei den Marienschwestern mit Sr. Raphaela Freund, die 1911 nach Aspach versetzt wurde, wo der Orden im ehemaligen Wasserschloss eine Nähschule, Suppenanstalt und Kinderbewahranstalt führte. Die spätere Gründerin des Kneipp-Kurhauses war als junges Mädchen lebensgefährlich erkrankt und wurde in Bad Wörishofen unter der persönlichen Leitung von Pfarrer Kneipp geheilt. Daraufhin machte sie es sich aus Dankbarkeit zur Lebensaufgabe, durch ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus Vorträgen und der Ausbildung bei Pfarrer Kneipp, kranken Menschen zu helfen. Während der Zeit der Spanischen Grippe (1918-1919) pflegte Sr. Raphaela viele Kranke in Aspach. Sogar in Fällen, wo der Arzt die Menschen aufgab, gelang es der Ordensfrau mitunter, deren Leben mit Heilmassagen, Wassertherapie, Packungen und Kräuterbädern zu retten. Ihre Erfolge wurden immer bekannter, bald kamen Leidende aus nah und fern nach Aspach, wo schließlich 1961 das Kneipp-Traditionshaus eröffnet wurde.
Mit Liebe und Begeisterung
1964 kam Sr. Reintraud ins Innviertler Kurhaus (wurde 2017 geschlossen). „Ich ließ mich in Wörishofen zur Kneipp-Bademeisterin ausbilden, war und bin begeistert von der Hydrotherapie. Pfarrer Kneipp hatte zusätzlich ein sehr gutes Gespür für die Kranken. Wenn zwei mit den gleichen Beschwerden kamen, hat er jeden anders und individuell behandelt“, sagt die erfahrene Guss-Schwester und meint: „Man muss die Anwendungen mit Liebe und sehr präzise ausführen, damit sie optimal wirken.“ 1982 wurde Sr. Reintraud als Oberin ins Kneipp-Traditionshaus nach Bad Kreuzen berufen, wo sie ihre Berufung als Guss-Schwester bis vor vier Jahren ausübte. 83-jährig hängte sie dann den Wasserschlauch endgültig an den Nagel.
„Für einen anhaltenden Kurerfolg braucht es drei Wochen. Die erste Woche ist die Eingewöhnungsphase. In der Reaktionswoche, kommt das Übel so richtig heraus – die Beschwerden können sich auch verschlimmern–, aber in der dritten, der Aufbauwoche, geht’s bergauf, und die Kurenden kommen zu neuer Energie. Ganz wichtig ist es durchzuhalten, auch wenn man sich mal schlecht fühlt. Es zahlt sich aus“, weiß Sr. Reintraud. Sie meint, dass man erst zwei, drei Monate nach der Kur sagen kann, was sie gebracht hat. Dr. Michaela Lehmann, Kneipp-Kurärztin in Bad Kreuzen, plädiert ebenfalls für eine dreiwöchige Kur: „Es geht dabei ja nicht um Wellness. Die Gäste erhalten viele Anregungen, was sie aus den fünf Säulen der Kneipp-Kur, nämlich Hydrotherapie, Ernährung, Bewegung, Heilpflanzen und Lebensstil, zu Hause weiterführen können, damit die Wirkung anhält.“
Die Kneipp-Kur mit Wickeln, Güssen, Waschungen und Bädern zur Regulations- und Reiztherapie wirkt über das vegetative Nervensystem auf alle Organsysteme, d. h. auf Immunsystem ebenso wie auf Gefäße, Herz-Kreislauf und die seelische Gestimmtheit.
„Die Hauptsache für die Menschen ist die Natürlichkeit und Einfachheit in der ganzen Lebensweise.“
Sebastian Kneipp
Erfahrung trifft moderne Medizin
„Die Kunst des Kneipp-Arztes ist es, den richtigen Impuls zu finden und zu setzen, den der Mensch braucht. Da haben wir mit der Expertise in der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) in unseren beiden Curhäusern zusätzlich einen Joker im Talon“, erklärt Allgemeinmedizinerin Lehmann, die auch TEM-Ärztin ist. Seit 2012 nimmt das Traditionshaus in Bad Kreuzen, als 1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM), eine Vorreiterrolle ein und verbindet moderne Medizin mit altem Heilwissen. An beiden Standorten sind die Teams und Ärzte in der TEM geschult. Immer mehr Gäste kommen und vertrauen dem Erfahrungsheilwissen unserer Kultur.
Die TEM ist ohne die Lehre des Wasser-Pfarrers, wie Kneipp genannt wurde, nicht vorstellbar. Sie nimmt den Menschen mit seinen individuellen Anlagen im Wechselspiel mit der Lebensumwelt wahr. Basis ist die Vier-Säftelehre nach Hippokrates mit den dazugehörigen vier Temperamenten/Archetypen. Die Wahrnehmung mit allen Sinnen etwa durch Iris-, Zungen- und Pulsbefundung hilft dem TEM-Arzt, Disharmonien oder Organschwächen zu erkennen. Zur TEM gehören etwa Massagen mit Spezialölen, die TEM- Reflexpunkte-Behandlung, der Aderlass nach Hildegard von Bingen, Wyda, das Yoga der Kelten sowie typgerechte Kost. Ziel ist es, die Selbstheilung und -regeneration anzuregen. Das Curhaus Bad Mühllacken hat sich in den vergangenen Jahren als Top-Adresse für die Themen bewusste Ernährung, Fasten und Detox etabliert.
Alte Curtradition
Mit dem stetig wachsenden Wissen aus der TEM wird man künftig noch individueller auf die Bedürfnisse des Kurgastes eingehen können. „In Verbindung mit der Spiritualität, die uns auszeichnet, und der Ruhelage der Häuser in heilsamer Natur, darf auch die Seele bei uns aufatmen“, sagt Dipl.-BW Friedrich Kaindlstorfer, Geschäftsführer der Curhaus Marienschwestern GmbH. 2018 wurden die Kneipp-Traditionshäuser zu Curhäusern. Das erklärt Fritz Kaindlstofer so: „2018 haben wir die Curhaus Marienschwestern GmbH gegründet und die Schreibweise mit ‚C‘ festgelegt. Sie symbolisiert die Wurzeln und die Curtradition mit Hydrotherapie in beiden Häusern. Der Orden hat zum Beispiel die Kaltwasser-Heilanstalt mit Cursaal übernommen, die auf die ,Herzoglich-Coburg’sche Kaltwasseranstalt Kreuzen‘ aus dem Jahr 1846 zurück geht – die älteste Wasser-Heilanstalt dieser Art in Europa.“
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