Unabhängigkeit, der Wunsch nach Selbstversorgung, das Bedürfnis, zu wissen, was drin ist, die Lust am Selbermachen… Klar könnte man alle erdenklichen Kräuter und vieles mehr ganzjährig in der Apotheke oder im Reformhaus kaufen. Man würde sich den Aufwand des Sammelns und Einlagerns ersparen, auch müsste man sich nicht das nötige Heilpflanzenwissen aneignen und bekäme zudem Kräuter in Arzneibuchqualität mit garantiertem Wirkstoffgehalt. Aber wo blieben da die Freude am Tun, die Pflege des überlieferten Wissens, der Genuss und die Leidenschaft? Damit Wirkkraft und Aroma nicht verloren gehen, sind bei der Versorgung der gesammelten Kräuter allerdings ein paar wenige, aber wichtige Regeln zu beachten.
Was heißt einlagern?
Einlagern heißt haltbar machen. Haltbar ist, was wenig oder gar kein Wasser enthält. Oder auch, wenn Salz, Säure, Zucker oder Alkohol zugesetzt wird. Beim Einlegen in Essig, Alkohol oder Öl werden allerdings am Schluss die Kräuter selbst verworfen – diese Methoden werden hier daher ausgelassen. Die wichtigste Technik der reinen Haltbarmachung ist somit der Wasserentzug, also das Trocknen. Denn: Kräuter bestehen zu bis zu 90 Prozent aus Wasser.
Sauber und trocken sammeln
Kräuter, deren gute Eigenschaften über viele Monate erhalten bleiben sollen, erfordern eine besonders sorgfältige Auslese und Handhabung. Über die allgemeinen Sammelregeln hinaus (nur an unbelasteten Orten und bestandsschonend sammeln) werden hier besonders hohe Maßstäbe angelegt: Die Pflanzen müssen „topfit“ sein, also vor Gesundheit und Schönheit strotzen. Vergilbte Blätter kommen nicht in Frage, auch Staub oder gar Spritzmittel sind ein No-Go.
Die Pflanzen sollen beim Sammeln jedenfalls innerlich und äußerlich möglichst trocken sein. Es sollte also drei Tage nicht geregnet haben, weil die Kräuter sonst einen höheren Wassergehalt haben, was die Wirk- und Aromastoffe „verdünnen“ und die Trocknung verlängern würde. Ihre größte Kraft und den geringsten Wassergehalt haben die meisten Kräuter um die Mittagszeit. Auch der Morgentau soll bereits verdunstet sein.
Gute Reinigung der Kräuter
Aus demselben Grund sollen die Kräuter nicht gewaschen werden. Das gilt im Besonderen für Lippenblütler, zu denen die aromatischsten und auch haarigsten Kräuter zählen. Würde man zum Beispiel Salbei waschen, würde er erstens richtig viel Wasser aufnehmen, und zweitens trägt er – wie die meisten Lippenblütler – seine Hauptwirkstoffe „auf der Haut“: Viele Kräuter haben auf der Epidermis, eingestreut zwischen ihre anderen Haare, sogenannte Drüsenhärchen, die das ätherische Öl enthalten und sehr leicht brechen. Die Öle würden teils verdunsten, teils oxidieren, also verderben. Mit diesen Pflanzen soll man möglichst wenig hantieren, damit ihre ätherischen Öle erhalten bleiben. Die Reinigung beschränkt sich somit auf das Wegzupfen aller unschönen Teile und das Ausschütteln eventueller tierischer Bewohner.
- Blätter. Die Blättchen dürfen gerebelt (vom Stiel befreit), aber nicht zerkleinert werden. Sonst würden Inhaltsstoffe an der Luft oxidieren und zerstört werden.
- Wurzeln. Bei Wurzeln ist es umgekehrt: Sie werden vor dem Trocknen in Scheibchen oder kleine Stücke geschnitten; nach dem Trocknen wären sie dazu zu holzig und zäh. Außerdem trocknen zerkleinerte Wurzeln schneller.
Dunkel, rasch, luftig
Das ist der „Dreisatz des Kräutertrocknens“, um Nähr-, Wirk- und Aromastoffe zu erhalten und die Besiedelung durch Bakterien oder Pilze nachhaltig zu verhindern.
Dunkel. Je dunkler, desto besser! Direkte Sonne ist der Tod vieler Inhaltsstoffe, was man auch daran erkennt, dass die getrockneten Kräuter ihre satte Farbe verlieren und schließlich vergilbt sind. Trocknen daher zumindest im Schatten, idealerweise im Dunkeln. Übrigens ist im Freien das Licht diffuser und der Schatten nicht so tief wie drinnen, darum können die Kräuter draußen auch im Schatten vergilben.
Rasch. Je länger der Trocknungsprozess dauert, desto leichter können Schimmelpilze auf den Pflanzen Fuß fassen. Nach dem Sammeln bzw. der Ernte daher umgehend zum Trocknen ausbreiten oder bündeln und aufhängen. Dicke Stiele entfernen, sie versorgen sonst die Pflanze noch eine Weile mit Feuchtigkeit, was die Trocknung verzögern würde. Ganz vermeiden kann man Pilzsporen und andere Keime aber nie, weshalb die Kräuter bei der Teezubereitung mit kochendem Wasser überbrüht werden sollen.
Luftig. Die Pflanzen dürfen nicht zu dicht liegen bzw. die Bündel nicht zu dick sein, sodass die Luft lieren und Feuchtigkeit verdunsten kann. Bündel aus wenigen Zweigen luftig aufhängen, lose Blätter und Blüten auf einer geflochtenen Unterlage oder einem Geschirrtuch ausbreiten, das auf Flechtwerk oder einem Gitterrost liegt. Um wetterbedingte Luftfeuchtigkeitsschwankungen zu vermeiden, trocknet man besser drinnen als draußen.
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