Wie Sie auch auf Ihrer Homepage schreiben, geht es bei der Zukunftsforschung nicht darum, konkret die Zukunft vorherzusagen, sondern darum, verschiedene Trends und Möglichkeiten aufzuzeigen. Können Sie vielleicht trotzdem verraten, mit welchen Themen wir uns im Jahr 2025 beschäftigen werden?
Wenn man nun wirklich das große Ganze betrachtet, kann man sagen: Es wird eine gewisse Entwicklung der Akzeptanz geben. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber derzeit leben wir in einer Art Verlustdenken, dass es die Welt so, wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird. Wir befinden uns auf der Schwelle zu einer neuen Ära und viele Menschen hoffen noch darauf, dass die Welt so bleibt, wie wir sie kennen. Diese Menschen werden akzeptieren müssen, dass sich die Welt grundlegend verändert.
Das klingt schon einmal recht dramatisch. Was ist denn mit diesen grundlegenden Veränderungen gemeint?
Wir beobachten derzeit drei große Entwicklungen. Erstens gibt es geopolitische und gesellschaftliche Schwankungen. Zweitens wird auch das Feld der Digitalisierung immer noch mehr an Bedeutung gewinnen und die Künstliche Intelligenz wird uns in den kommenden Jahren noch einige Überraschungen bescheren. Einiges ist ja bereits passiert, man denke nur an ChatGPT und dergleichen. Hier gibt es bereits Techniken, die uns beherrschen und auch ein Stück weit manipulieren. Das dritte große Thema ist der Klimawandel mit all seinen Entwicklungen, etwa Umweltkatastrophen oder Lebensmittelengpässen. All diese Entwicklungen beeinflussen natürlich auch die Wirtschaft, wie man z. B. am Einbruch der Automobilindustrie sieht. Das alles kommt nun langsam in den Köpfen der Menschen an und lässt sich nicht länger ignorieren. Es handelt sich nicht nur um eine kurze Störung in der Welt und dann wird alles wieder normal und läuft wie gewohnt weiter. Nein, wir müssen diese großflächigen Veränderungen akzeptieren. Das ist nichts Schlechtes, daraus kann man auch viel Positives machen. Antonio Gramsci hat schon gesagt: „Wenn die alte Welt im Sterben liegt und die neue noch nicht geboren ist, ist die Zeit der Monster gekommen.“ Genau in dieser Zeit leben wir nun, nur dass die Monster wir selbst sind. Die Monster und Dämonen sind die Vergangenheitsbeschwörer, die unbedingt die alte Welt am Leben erhalten wollen. Dabei strotzt die neue Welt nur so vor Möglichkeiten und Chancen. Wir dürfen hier nicht den Verlust sehen, denn eine neue Gestaltung erfordert immer, einige Dinge über Bord zu werfen und loszulassen. Das muss aber erst langsam ins Bewusstsein der Menschen sickern.
Viele Menschen sehen diesen Veränderungen nach wie vor ängstlich entgegen. Wie geht man denn am besten mit einer solchen Zukunftsangst um?
Ich arbeite viel mit Jugendlichen und habe festgestellt, dass Zukunftsangst in den vergangenen Jahren gerade bei den Heranwachsenden massiv zugenommen hat. Sie haben vor allem große Angst, gewisse Dinge nicht mehr machen zu können. Das, was ihre Eltern oder Großeltern erfolgreich gemeistert haben, sogenannte Gewinngeschichten, die über Jahrzehnte hinweg funktioniert haben, sind plötzlich nicht mehr umsetzbar. Ein Einfamilienhaus ist nicht mehr leistbar und sie können sich auch nicht mehr so frei bewegen, wie es die vorherigen Generationen getan haben. Dies alles führt für Jugendliche zu einem Bedeutungsverlust der Zukunft – die Zukunft ist für sie nicht mehr relevant, sie leben nur noch in Echtzeit und die Zukunft ist quasi nur noch ein Anhängsel der Gegenwart und wird in einen ganz kleinen Korridor gepresst. Dadurch verliert man aber den Blick über den Tellerrand, man verliert Zielbilder, die der Orientierung dienen, und beschäftigt sich nur noch mit der Verwaltung des Gegenwärtigen. Es gilt also, wieder einen Zugang zur Zukunft zu finden und sich zu fragen: Was ist die Zukunft eigentlich? Die Zukunft ist nicht abstrakt, sondern sie ist ein Material, mit dem man arbeiten und das man aktiv gestalten kann. Und wir haben wahnsinnig viele gute Perspektiven, mit denen wir Neues gestalten können.
Kann ich als Einzelperson überhaupt viel zur Zukunftsgestaltung beitragen? Gerade im Hinblick auf politische Entwicklungen, den Klimawandel und andere angesprochene Sorgen hat man ja oft das Gefühl, nichts ausrichten zu können.
Wir machen oft den Fehler zu glauben, dass uns die Massen vorausgehen müssen. Die Veränderung findet aber in uns selbst im ganz, ganz Kleinen statt. Nur dann kann ich wirklich etwas bewirken. Wir dürfen natürlich nicht darauf hoffen, dass wir selbst den Klimawandel reduzieren können. Aber viele Entwicklungen sind von einer einzigen Person ausgegangen oder im ganz Kleinen entstanden. Man muss sich darüber bewusst werden, dass man selbst Herr der Veränderung ist, und man kann auch andere mobilisieren. Unsere Mitmenschen wollen ja auch eine gute Perspektive, somit ist unser eigenes positives Denken ein wichtiger Beitrag, um andere zu erreichen. Wir glauben immer nur, dass wir im Kleinen nichts verändern können. Aber wenn wir natürlich nur darauf warten, dass sich von außen etwas ändert, ohne selbst aktiv zu werden, dann passiert nichts.
Apropos „selbst aktiv werden“: Wie sehen denn die Trends im Gesundheitsbereich aus?
Übergewicht ist ein ganz großes Thema. Die Anzahl der Übergewichtigen und Fettleibigen steigt, also im Bereich der Gesundheit, Ernährung und Bewegung muss sich dringend etwas ändern. Sonst ist das im Hinblick auf die Kosten im Gesundheitswesen gar nicht mehr zu stemmen. Die Politik muss sich dieser Verantwortung stellen und das Thema der Bevölkerung vermitteln.
Wie sollte das geschehen?
Vor allem Kinder und Jugendliche sollten dabei im Fokus stehen, weshalb es auch dringend notwendig ist, das Thema Gesundheit in die Schulen zu bringen. Bei Kindern ab 10 Jahren wird beispielsweise das Essen mit Messer und Gabel wieder regelrecht „aberzogen“, da sie nur noch Fast Food essen und auch zuhause nicht mehr richtig gekocht wird. Informationen im Unterricht sind somit sehr wichtig, damit die Kinder letztendlich auch zuhause sagen können, was sie essen wollen und was gesund ist. Beim Thema Gesundheit in Schulen muss es aber auch um die psychische Gesundheit gehen. Hier gibt es gerade bei Jugendlichen durch den Umgang mit Social Media große Probleme.
Andrerseits ist auch ein Gegentrend zu beobachten: Es gibt eine steigende Anzahl von Jugendlichen und jüngeren Menschen, die sich wieder vermehrt in der Natur bewegen und auf Weitwanderwegen oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Diese Bewusstseinsentwicklung ist als Gegenpol zur Digitalisierung entstanden. Überall, wo es einen Trend gibt, gibt es auch einen Gegentrend. Wird die Welt digitaler, so sucht man den Ausgleich und bewegt sich lieber analog durch die Natur.
Inwieweit fließt bei der Zukunftsforschung eigentlich auch die Betrachtung der Vergangenheit ein?
Der Blick in die Vergangenheit spielt eine zentrale Rolle bei der Zukunftsforschung. Gewisse Entwicklungen werden gespiegelt. Und man erkennt auch, dass die Zukunft immer schon eine große Rolle im Leben der Menschen gespielt hat. Schon in antiken Kulturen hat man Antworten in der Zukunft gesucht und sich danach orientiert. Später, in der Zeit von Science Fiction, hat es weitere spannende Entwicklungen gegeben. Jules Verne hat beispielsweise schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts Dinge wie ein Fax und das Internet beschrieben, obwohl das damals noch nicht einmal ansatzweise erfunden war. Solche Visionen waren extrem wichtig, um die Menschen einerseits neugierig auf die Zukunft zu machen, und um andererseits auch die Entwicklungen voranzutreiben. Heute fehlt uns das, weshalb wir uns die Frage stellen müssen: Wie können wir die Menschen wieder in einen solchen Zukunftsgestaltungsakt bringen? Die Menschen müssen sich wieder fragen: Wie will ich selbst leben? Wie kann ich gesünder leben? Muss ich mich dieser Welt ausliefern, muss ich mich manipulieren lassen? Und wie schaffen wir wieder eine Gesellschaft mit Zukunftsmut und einem positiven Mindset?
Dafür haben Sie ja sogar eine eigene Akademie gegründet: die Future Design Akademie. Was kann man sich darunter vorstellen?
Wir haben nicht nur die Akademie, sondern auch die entsprechenden Werkzeuge dazu entwickelt, z. B. unsere Zukunftsreise. Ganz viele wissen gar nicht, wie sie überhaupt in die Zukunft kommen und dort nutzbringend arbeiten können. Auch mit der Future Story zeigen wir die aktive Gestaltbarkeit der Zukunft auf. Ich habe auch den Future Campus mitinitiiert, durch dem sich Schulen die Zukunft in den Klassenraum holen können. Wir können nicht nur über die Zukunft philosophieren, sondern benötigen auch die entsprechenden Werkzeuge, um sie zu gestalten. Wir brauchen diese Beidhändigkeit aus Denken und Handeln, kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-Auch. Die Zukunft darf nicht nur gedacht, sondern sie muss auch anwendbar gemacht werden.
Zur Person
Klaus Kofler hat vor über 20 Jahren mit der Zukunftsforschung begonnen. „Man braucht dazu Offenheit, Neugier und die Bereitschaft, interdisziplinär zu arbeiten“, so der Vorarlberger. Denn schließlich müsse man das große Ganze betrachten: technologische Entwicklungen ebenso wie gesellschaftliche, klimatische, politische usw. Sein Fokus liegt auf der Fragestellung, wie sich die Menschen in der Zukunft verändern werden.
Nähere Infos zu Klaus Kofler und seinen Vorträgen gibt es unter www.trends-wege.com
Foto Klaus Kofler (c) Studio Fasching Bregenz