Jedes Jahr erkranken in Österreich über 44.000 Menschen an Krebs. Tendenz steigend. Die Behandlung von Krebs ist hochkomplex, sehr dynamisch und erfordert das Zusammenspiel vieler Disziplinen und aller Ebenen des Gesundheitssystems. Die Krebsversorgung muss daher laufend an die wachsende Zahl an Patienten und den medizinischen Fortschritt angepasst werden. Angesichts gleichzeitig bestehender Ressourcenengpässe bedarf es großer Anstrengungen, um die Versorgung von Menschen mit Krebs in Österreich auf hohem Niveau aufrecht zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund liefert der Österreichische Krebsreport Daten und Fakten zur Krebsversorgung in Österreich und bietet damit eine Grundlage für informierte Entscheidungen zur Krebsversorgung in Österreich. Damit möchten die Österreichische Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie dazu beitragen, die Krebsversorgung in Österreich auch in Zukunft auf hohem Niveau zu sichern.
Psychische Belastung von Krebs
Neben einer optimalen medizinischen und pflegerischen Versorgung von Krebspatienten bedarf es mehr Aufmerksamkeit für die soziale und psychische Belastung erkrankter Menschen – dies wird leider oftmals unterschätzt. „Nachdem wir uns im Krebsreport 2023 der Versorgungssituation vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung gewidmet haben, greifen wir im diesjährigen Krebsreport die soziale und psychische Dimension von Krebserkrankungen auf“, so Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO).
„Wir erleben täglich in den Krebshilfe-Beratungsstellen, wie enorm die Herausforderungen für Betroffene und Angehörige sind, dazu gehören neben der verständlichen Angst um das Leben zunehmend auch Sorgen um den Beruf und durch die Krankheit verursachte finanzielle Belastungen,“ so Krebshilfe-Präsident Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. „Seit Einführung des Soforthilfe-Fonds war es zum Beispiel notwendig, rund 4.000 Krebspatienten finanziell zu unterstützen, da sie durch die Erkrankung unverschuldet in Not geraten sind. Dafür mussten rund 4 Mio. Euro von der Österreichischen Krebshilfe aufgewendet werden.
Wöll und Sevelda weisen darauf hin, dass es die Umsetzung menschlich und volkswirtschaftlich unabdingbarer Maßnahmen braucht, um die optimale Versorgung von Krebspatienten zu gewährleisten und die psychosozialen Auswirkungen abzufedern:
• Aufnahme der psychoonkologischen Betreuung in die Regelfinanzierung
• Effektiver Kündigungsschutz im Krankenstand für Krebspatienten
• Eine für die Dienstgeber verpflichtende Wiedereingliederungsteilzeit
• Ausbau des Angebotes für Onkologische Rehabilitation
• Rascher Einsatz der vorhandenen Mittel für den Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung
• Implementierung von „Cancer Nurses“ (eigenen Krankenschwestern) durch die Krankenanstaltenträger
• Strukturierte Erhebung von krebsbezogenen Daten
Soziale Dimension von Krebs
Daten zur Erfassung der psychosozialen Folgen einer Krebserkrankung gibt es aus Österreich leider sehr wenig – was auch im internationalen Vergleich westeuropäischer Länder auffallend ist. „In der klinischen Versorgung von uns anvertrauten Patient:innen spielt das eine wichtige Rolle, wurde aber bislang in der öffentlichen Diskussion wenig beachtet. Wir haben daher versucht, diese Thematik für Österreich aufzuarbeiten und liefern im Krebsreport Beiträge unterschiedlichster Expert:innen, aber auch neue, bislang nicht publizierte Daten zu den psychosozialen Auswirkungen von Krebs in Österreich“, so die Wissenschaftliche Leiterin des Österreichischen Krebsreports, Priv.-Doz. Dr. Kathrin Strasser-Weippl.
Die neuen Daten zeigen, dass 40% der Menschen, die an Krebs erkranken, zwischen 15 und 65 Jahren (15.100) sind. 8.500 Menschen während aufrechter Berufstätigkeit an Krebs erkranken – nach 2 Jahren ein Viertel dieser Menschen (die die Diagnose mind. 5 Jahre überlebt haben) nicht mehr berufstätig sind. Der größte Einschnitt im Erwerbsleben besteht bei Patienten über 55 Jahren und bei jungen Patienten, die gerade ihre Berufslaufbahn aufbauen. Ein niedriger Bildungsgrad ist ein zusätzlicher Risikofaktor. Art und Stadium der Tumorerkrankung spielen ebenfalls eine große Rolle. Diese Daten sind neu und wurden für den Krebsreport 2024 durch Statistik Austria analysiert.
Die Ergebnisse überraschen nicht, denn laut einer weiteren Erhebung aus Österreich sehen sich am Beginn der onkologischen Rehabilitation 75% der Patienten nicht in der Lage, (Voll- oder Teilzeit) zu arbeiten. Das liegt nicht nur an den körperlichen Folgen von Erkrankung und Therapie wie schwerer Müdigkeit (Fatigue), die bis zu 50% aller Patienten betrifft, sondern auch an sehr häufigen psychischen Folgeerscheinungen wie Depressivität, Rezidivangst und Niedergeschlagenheit.
Ab 50 sinken die Chancen auf Erwerbstätigkeit
Innerhalb der Bevölkerungsgruppe der 15 bis 64-Jährigen ist das durchschnittliche Alter von Krebspatienten rund 50 Jahre, das von Personen ohne Krebserkrankung 40 Jahre. Das durchschnittlich höhere Alter der Erkrankten erklärt allerdings nicht die Schwierigkeiten, nach einer Krebsdiagnose erwerbstätig zu bleiben oder wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Ein deutlicher Unterschied im Erwerbsverlauf zwischen Krebskranken und Nichterkrankten zeigt sich auch beim Vergleich von Gruppen im gleichen Alter. „Die Wahrscheinlichkeit, nach einer Krebsdiagnose erwerbstätig zu bleiben oder wieder ins Berufsleben zurückzukehren, ist stark vom Erkrankungsalter abhängig. Besonders für Krebserkrankte ab dem 50. Lebensjahr ist eine Pensionierung innerhalb von zwei Jahren deutlich wahrscheinlicher als für Personen ohne Krebserkrankung. Das geht aus einer Analyse hervor, für die wir erstmals Daten des Nationalen Krebsregisters mit Arbeitsmarktdaten zusammengeführt und ausgewertet haben,“ so Mag. Dr. Monika Hackl, Leiterin des österreichischen nationalen Krebsregisters von Statistik Austria.
Ausbau von Hospiz- und Palliativversorgung
Im März 2022 wurde vom Nationalrat und Bundesrat das Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) verabschiedet, um den flächendeckenden Aus- und Aufbau einer spezialisierten und qualitativ hochwertigen Hospiz- und Palliativversorgung sicherzustellen. Der Hospiz- und Palliativfonds trat rückwirkend zum 1. Jänner 2022 in Kraft. Bis dato wurden 108 Mio Euro an die Länder ausgeschüttet. Es sei nun “unabdingbar notwendig, dass dieser den Zuschüssen zugrunde liegende weitere Aus- und Aufbau einer spezialisierten und qualitativ hochwertigen Hospiz- und Palliativversorgung raschest” durch die Länder erfolgt. „Hospiz- und Palliativversorgung ist mehr als nur medizinische Betreuung – sie ist ein Zeichen der menschlichen Solidarität und ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. In der letzten Lebensphase braucht jeder Mensch nicht nur medizinische Hilfe, sondern vor allem auch menschliche Nähe, Trost und Würde. Dafür müssen wir gemeinsam sorgen. Der Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung ist eine Investition in die Würde jedes Einzelnen – besonders in schweren Momenten des Lebens“, so Univ.-Prof. DDr. Eva K. Masel, Vorstandsmitglied der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) und der Österreichischen Krebshilfe.
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