Rund die Hälfte des Tages, an den Wochenenden sogar zwei Drittel des Tages, verbringen wir im Durchschnitt zuhause. Und: Laut einer Studie der Integral Markt- und Meinungsforschung im Auftrag von ImmobilienScout24 bezeichnen rund 97 Prozent der Österreicher das Zuhause als ihren persönlichen Rückzugsort. Umso wichtiger ist es, die eigenen vier Wände richtig zu gestalten. Denn nur dann können wir uns daheim wirklich entspannen und wohlfühlen. Wie wichtig es ist, hier auf einige Dinge zu achten, weiß Harald Deinsberger-Deinsweger, der das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie (IWAP) gegründet hat. „Es gibt eine nachgewiesene Wirkung zwischen der Gestaltung des Raumes und unserem Verhalten bzw. Befinden. Der Raum kann auf uns stressfördernd oder auch entspannend wirken, unser Kommunikationsverhalten beeinflussen, unsere Konzentration stärken oder uns nervös machen – und das sind nur einige Beispiele.“
Verschiedene Wirkungen
Aber Moment. Wer sein Zuhause einrichtet, wie es ihm gefällt, wird ja wohl alles richtig machen, oder? Immerhin wissen wir selbst am besten, welche Elemente uns in den eigenen vier Wänden am besten gefallen. Falsch gedacht, wie uns Harald Deinsberger-Deinsweger erklärt. Denn je nach Aufenthaltsdauer wirkt ein Raum unterschiedlich auf uns – unabhängig davon, ob uns die Einrichtung gefällt oder nicht. „Zunächst gibt es die direkte affektive Wirkung: Spricht mich der Raum an?“, so der studierte Architekt. Es gibt Räume, in denen man sich sofort wohlfühlt, und andere, die bereits beim Betreten ein unbehagliches Gefühl in uns auslösen. Diese kurzfristige Einschätzung sagt jedoch noch nichts über die langfristige Wirkung der Räumlichkeiten aus. „Mittelfristig, also nach mehreren Stunden, kann sich das Bild bereits wenden. Die Umgebung, die uns anfangs gut gefallen hat, kann uns nun schon nervös und unkonzentriert machen.“ Und die langfristige Wirkung lässt sich letztendlich erst nach Monaten oder Jahren erkennen. Die tatsächliche Auswirkung einer Einrichtung, die uns spontan gefällt, kann somit nicht vorhergesagt werden.
Für jeden richtig
Es gibt allerdings einige Faktoren, die aus wohnpsychologischer Sicht dazu beitragen, dass wir uns zuhause besonders wohlfühlen. Dabei geht es nicht um den persönlichen Geschmack, was Stil und Einrichtung betrifft, sondern um allgemeine, wissenschaftlich belegte Dinge, die in jedem Zuhause berücksichtigt werden sollten – völlig egal, ob man einen modernen, trashigen oder traditionellen Wohnstil bevorzugt.
- Persönlich gestalten.
Bereits der Prozess des Einrichtens und Gestaltens hat eine positive Auswirkung auf unsere Psyche. „Hier geht es um Selbstbestimmung. Je mehr ich bei meinem Zuhause selbst gestalten kann, desto eher fühle ich mich dort auch verwurzelt“, so Deinsberger-Deinsweger. Erkennbar ist dies z. B. bei alten Menschen, die umziehen müssen. Lässt man ihnen im neuen Zuhause möglichst viele Gestaltungsfreiheiten, fühlen sie sich dort sofort wohler.
- Die Natur nach Hause holen.
„Wer das Glück hat, mit Blick auf einen Park oder einen Wald zu wohnen, muss hier nicht mehr viel machen. Einfach Sitzgelegenheiten mit Blick ins Grüne bieten und dann ist dieser Punkt bereits erfüllt“, so Harald Deinsberger-Deinsweger. Gerade im urbanen Bereich blickt man jedoch selten auf Naturlandschaften, sondern eher auf Straßen und Häuser. „Dann kann man sich mit einer Einrichtung aus Holz oder mit Zimmerpflanzen helfen“, rät der Experte. Kein grüner Daumen und keine Freude an Holzmöbeln? „Auch naturnahe Dekoration erfüllt diesen Zweck, ebenso Fotografien oder Malereien mit Naturmotiven.“
Ideal ist natürlich auch ein eigener Garten. Tipps zum Anlegen gibt es hier. Und wer keinen Garten hat, der nutzt einfach das Fensterbrett für Minigärten. Die haben nämlich ebenfalls nachweislich einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden.
- Ausreichend sensorische Reize bieten.
Unser Hirn benötigt eine gewisse Menge an Reizen, um sich wohlzufühlen. Ein zu reduziertes, karges Wohnumfeld ist daher nicht förderlich. „Karge Räume mit minimaler Einrichtung können zwar anfangs durch die Abwesenheit von Reizen sehr entspannend auf uns wirken. Doch bereits nach 10 bis 20 Minuten kehrt sich dieser Effekt ins Gegenteil: Wir werden gereizt, unruhig, unsere Konzentrationsfähigkeit sinkt und allgemeines Unwohlsein breitet sich aus“, warnt Deinsberger-Deinsweger. Sensorische Stimuli sind daher ein wichtiger Faktor, um sich im Umfeld wohlzufühlen. „Auch wenn man selbst ein schlichtes Zuhause bevorzugt, sollte man darauf achten, ein paar naturnahe Elemente einzubauen“, rät der Wohnexperte. Wichtig ist ein Mix aus verschiedenen Strukturen, Formen und Materialien, damit das Gehirn einige Eindrücke zu verarbeiten hat. Dazu zählen nicht nur verschiedene Möbel und Dekoration, sondern z. B. auch Wasserelemente (Zimmerbrunnen etc.) und die bereits erwähnten Pflanzen. Auch Licht- oder Farbakzente wirken wie Nahrung für das Gehirn.
- Alles möglichst anpassbar gestalten.
Je nach Uhrzeit und persönlicher Stimmung muss ein Raum unterschiedliche Bedürfnisse erfüllen. Es ist daher sinnvoll, ihn flexibel zu gestalten. „Damit ist beispielsweise regulierbares Licht gemeint, das ich an meine aktuelle Stimmung anpassen kann“, so Harald Deinsberger-Deinsweger. Auch Vorhänge helfen dabei, den Raum heller oder schummriger zu machen – je nachdem, ob man gerade arbeiten, lesen oder ruhen möchte.
- Farbtupfer einbauen.
Kaum ein Aspekt der Wohnpsychologie ist so bekannt wie die Wirkung der Wandfarben. So soll ein blau gestrichenes Schlafzimmer beruhigend und kühlend wirken, ein rotes Wohnzimmer dagegen belebend und energetisierend. Harald Deinsberger-Deinsweger steht dem jedoch skeptisch gegenüber: „Natürlich haben Farben eine bestimmte Wirkung auf uns. Die lässt jedoch sehr rasch nach, auch wenn wir den Raum erneut betreten. Meiner Meinung nach wird die Wirkung der Farben eher überschätzt.“ Statt beispielsweise einer grünen Wand sollte man daher eher zu einer grünen Zimmerpflanze greifen: „Die Pflanze bietet weitaus mehr Stimuli, da sie unterschiedliche Strukturen, Farbschattierungen und eine mehrdimensionale Form aufweist – im Gegensatz zu einer eindimensionalen, einheitlich grün gestrichenen Wand.“ Er rät auch davon ab, alles in einer Farbe zu streichen. Sinnvoller seien Farbakzente und ein Zusammenspiel aus weißen und gefärbten Wänden.
Zum Institut für Wohn- und Architekturpsychologie
Dr. Harald Deinsberger-Deinsweger interessierte sich bereits während seines Architekturstudiums für Wohnpsychologie und widmete seine Doktorarbeit diesem Thema. Nach mehreren Publikationen gründete er mit einem Kollegen das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie in Graz. Das Institut bietet Ausbildungen und Online-Kurse zur richtigen Planung und Gestaltung von Wohnräumen, aber auch ganzen Siedlungen an. Außerdem ist es aktiv an Bauprojekten beteiligt und hilft dabei, bereits bei der Planung bestimmte Faktoren für ein besseres Wohngefühl zu berücksichtigen. Nicht zuletzt widmet sich das Institut auch der empirischen Forschung, um neue Erkenntnisse in der Wohnpsychologie zu erlangen. Nähere Infos unter www.wohnspektrum.at