Ein Forschungsbericht aus den USA und Großbritannien deutet darauf hin, dass Herpes-Viren eine Alzheimer-Erkrankung begünstigen können. So lautet das Ergebnis einer Untersuchung des Oxford Institute of Population Ageing, der University of Manchester und der Tufts University in Massachusetts (USA). Bereits vor 30 Jahren fanden Forscher das Herpes simplex-Virus Typ 1 in Gehirnzellen vieler älterer Menschen. Wird dieses reaktiviert – zum Beispiel durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das für Windpocken bzw. Gürtelrose verantwortlich ist – können Prozesse, die schließlich zu Alzheimer führen, in Gang gesetzt werden. Durch das aktive Herpes simplex-Virus Typ 1 können sich bei Patienten mit einer entsprechenden Prädisposition im Gehirn Proteine ansammeln, die mit Alzheimer in Zusammenhang stehen.
Herpes-Erkrankungen im Blick
Der Humanmediziner und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin Dr. med. Michael A. Überall sieht die Studie als wichtige Arbeit in der Alzheimer-Forschung: „Die Ergebnisse dieser experimentellen Studie erweitern unsere Sicht auf die Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung um eine bislang eher vernachlässigte, aber absolut mögliche neue Ursache – chronische Viruserkrankungen.“ Umso wichtiger ist es deshalb, Herpes-Erkrankungen im Blick zu haben. Über 99 Prozent aller Erwachsenen über 50 tragen das Varizella-Zoster-Virus in sich und circa 50 Prozent das Herpes simplex-Virus Typ 1. Dieser „Trägerstatus“ war für die meisten Betroffenen lange Zeit eher unbedeutend. Mit durchschnittlich zunehmendem Lebensalter und dem steigenden Anteil älterer Personen an der Gesamtbevölkerung spielt aber die altersbedingte Reaktivierung dieser Viren und die Bildung der Proteine, die für die Alzheimer-Erkrankung mitverantwortlich sind, eine größere Rolle. „Auch wenn wir noch nicht wirklich wissen, auf welchem Weg die genannten Eiweißkörper die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen, so ist zumindest klar, dass das Ausmaß von Bildung und Ablagerung von der Anzahl und der Schwere der VZV-Reaktivierungen abhängt und mit der Schwere der Alzheimer-Erkrankung in einem engen Zusammenhang steht“, so Überall.
„Sollte sich dieser Zusammenhang auch in klinischen Studien bestätigen, dann könnte sich über das VZV eine Möglichkeit ergeben, den Weg der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugend zu beeinflussen bzw. ihn vielleicht sogar weitgehend zu verhindern, nämlich durch eine Impfung mit dem Lebendimpfstoff im Kindesalter zur Vermeidung der Erstinfektion mit VZV und mit Impfung Erwachsener mit dem Totimpfstoff zur Stärkung des Immunsystems und Verhinderung der Reaktivierung bereits im Körper befindlicher VZV.“
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