„Für die menschliche Natur reicht eine kleine Portion aus, um sie gut zu nähren und in der Kraft zu erhalten, vorausgesetzt, dass diese Portion gut ausgenützt wird. Wenn man aber recht viele Speisen zu sich nimmt, die weder gut verdaut noch gehörig ausgenützt werden, dann hat man einen großen Teil umsonst gegessen. Es kommt daher viel darauf an, dass man die Natur an wenig gewöhnt und dass dieses Wenige gut ausgenützt werde, nicht aber dass viel genommen werde und das meiste davon nutzlos abgehe.“
(Aus: „Meine Wasserkur – So sollt ihr leben“, Die weltberühmten Ratgeber in einem Band, 2004, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, S. 114-115)
Im 19. Jahrhundert mussten viele Menschen wohl oder übel lernen, mit wenig Nahrung auszukommen. Auch Sebastian Kneipp berichtet in einem seiner Bücher, dass er in seiner Kindheit nur zu Kirchweih satt geworden ist. Später in seinem Leben hatte er sicher genug zu essen, legte aber bei sich selbst und bei seinen Kurpatienten Wert auf eine einfache Lebensweise, besonders im Hinblick auf die Ernährung.
Heute ist dieses Thema aus ganz anderen Gründen hochaktuell, denn Wissenschaftler haben vor einigen Jahren entdeckt, dass eine kalorienreduzierte Ernährung bei Versuchstieren die Lebensdauer verlängert. Fadenwürmer, Mäuse und verschiedene andere Tiere können durch geringere Nahrungszufuhr um bis zu 30 Prozent länger leben. Wissenschaftliche Studien beim Menschen stehen noch aus, aber dass zu viel an Nahrung den Körper belastet, kann als sicher gelten.
Mäßigung bei Nahrung
Einer von mehreren Gründen dafür ist, dass bei der Verarbeitung von Nährstoffen im Stoffwechsel freie Radikale entstehen. Je mehr wir essen, desto mehr Sauerstoff wird bei der Verarbeitung der Nahrungsbestandteile benötigt und desto mehr freie Radikale entstehen. Umweltschadstoffe, Rauchen und Leistungssport steigern die Bildung dieser reaktionsfreudigen Sauerstoffverbindungen zusätzlich. So werden Alterungsprozesse beschleunigt und die Entstehung von Krankheiten begünstigt.
Meiner Ansicht nach will uns Pfarrer Kneipp im hervorgehobenen Zitat nicht den Verzicht auf alle Gaumenfreuden nahelegen. Eher rät er uns, von Übertreibungen Abstand zu nehmen. Der heute in den Ländern der westlichen Welt vorhandene Überfluss an Nahrungsmitteln fördert in unserem Organismus tatsächlich unterschwellige Entzündungsreaktionen, die eine Ursache von zahlreichen Zivilisationserkrankungen darstellen. Und nicht zuletzt leidet auch unsere gemeinsame globale Umwelt unter den Bedingungen der industriellen Nahrungsmittelproduktion. Mäßigung ist daher ein Gebot der Stunde.
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